Ergebnisse aus unserem Zukunftsworkshop – Der Einzelhandel und seine (nachhaltige?!) Lieferkette
25. Juli 2022
Gesina Schalenberg
Was passiert eigentlich bei der Produktion unserer Alltagsprodukte in den globalen Lieferketten? Oft können das nicht einmal große, produzierende Unternehmen mit Sicherheit beantworten. Doch auch im Handel werden zunehmend Rückfragen zur Nachhaltigkeit in der Lieferketten gestellt. Hier eine angemessene Auskunft geben zu können oder insgesamt ein nachhaltiges Angebot entlang der gesamten Lieferkette anzubieten ist für Einzelhändler bisher häufig ein Problem.
Wie können Einzelhändler also für mehr Transparenz hinsichtlich Ökologie und Soziales in ihrer Lieferkette sorgen?Und wie können wir, die Politik und weitere Institutionen sie dabei unterstützen?
Mit dem Projekt „Hinter der Ladentheke – Geschichten aus dem Einzelhandel zu globalen Wertschöpfungsketten“ sind wir genau diesen Fragen nachgegangen. Zunächst haben wir intensive Gespräche mit Händler:innen geführt und daraus acht spannende Geschichten zu Lieferketten in ganz unterschiedlichen Bereichen verfasst. Habt ihr schon einmal über die Lieferkette im Pharmabereich nachgedacht? Oder welche Aspekte bezogen auf Naturkosmetik oder Spielzeug eine Rolle spielen? All das könnt ihr in unseren acht Artikeln hier nachlesen.
Wir wollten aber nicht nur Herausforderungen in den Lieferketten verschiedener Händler:innen benennen, sondern weiter gehen: Probleme thematisieren, Lösungen entwickeln und diese kommunizieren und aktiv werden!
Bei einem Zukunftsworkshop im wundervollen Ostaendstore haben wir uns daher mit engagierten Akteuren aus dem Handel zum Frühstück getroffen, Inhalte vertieft und gemeinsam diskutiert.
Marie van Vliet vom EPN Hessen hat das neue Lieferkettengesetz in einem Vortrag thematisiert und vor allem herausgestellt, warum dieses auch für den Einzelhandel von Bedeutung ist, obwohl Kleinstunternehmen zunächst einmal nicht direkt reguliert werden. Denn eine indirekte Betroffenheit besteht, wenn beispielsweise der kleine Einzelhandel in den Geschäftsbereich eines Unternehmens fällt, das selbst dem Lieferkettengesetz verpflichtet ist oder wiederum betroffene Unternehmenskunden hat. Dann können auch kleinere Unternehmen zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten oder Präventionsmaßnahmen angehalten werden, so van Vliet. Ebenso besteht die Möglichkeit der Verteuerung von Produkten und Lieferengpässen.
Dr. Heike Schulze, freiberufliche Beraterin, hat im zweiten Vortrag die Komplexität von Lieferketten verdeutlicht und zahlreiche gute Gründe für eine nachhaltige Beschaffung dargelegt. Denn diese leistet nicht nur einen positiven Beitrag zum Klima, sondern kann Entscheidungen von Investoren und Kund:innen maßgeblich beeinflussen und das Risikomanagement verbessern. Allerdings müsse die Kommunikation zwischen Produzenten und dem Einzelhandel, der ja die Schnittstelle zum Kunden darstellt, erheblich verbessert werden.
Im Nachgang der beiden Vorträge konnten die Teilnehmenden des Zukunftsworkshop im Format eines World Cafés diskutieren. Wichtige Oberthemen waren bereits aus den acht Interviews für die Blogartikelreihe generiert worden.
Ziel der Diskussion war es, für die Branche Einzelhandel Zukunftsperspektiven und Handlungsoptionen zu generieren. So wurde an folgenden Themen intensiv gearbeitet: Synergien und Kooperationen, Angebotsgestaltung, Kontrolle und Transparenz sowie Kommunikation mit den Kund:innen.
Bereits nach kurzer Zeit hatten die Teilnehmenden zahlreiche Ideen gesammelt, die sich an verschiedene Multiplikator:innen richteten. Einige der wichtigsten werden hier stichpunktartig aufgeführt:
- Die Teilnehmenden hatten ein großes Interesse der thematischen Vertiefung. Hierfür wurde sich eine Agentur oder Beratungsstelle gewünscht, die bei Fragen zu Lieferketten, Gesetzen, Regulierungen, Schulungsbedarfen Auskunft geben kann oder zumindest kompetent an andere Stellen verweisen kann (Doppelstrukturen vermeiden).
- Das Thema (nicht nur staatlicher) Kontrolle wurde rege diskutiert und es wurde empfohlen, dass über Kontrollstellen gegebenenfalls auch Sanktionen ausgesprochen werden könnten.
- Siegel wurden als ein hilfreiches Mittel für die Einschätzung von Produktqualität in vielen Bereichen eingeschätzt. Allerdings ist es für kleine Händler nicht immer machbar, ein kostenintensives Zertifikat zu erhalten. Daher wurde sich eine finanzielle Abstufung oder Förderung je nach Unternehmensgröße gewünscht. Auch regionale Siegel, die einen eigenen Kriterienkatalog haben und verschiedene regionale Akteure zusammenschließen, waren von Interesse. FAQ‘s von Produzenten an B2B-Kunden (Business to Business) wurden als hilfreich und ausbaufähig erachtet.
- Regionale Angebote insgesamt sollten eine höhere Aufmerksamkeit erhalten. Hierfür würde sich eine Öffentlichkeitskampagne eignen, die die Wertschätzung regionaler Produkte hervorhebt.
- Wie kann dem Thema Greenwashing begegnet werden, sodass weder bei Kund:innen noch Händler:innen Frust darüber entsteht? Ein wichtiger Bedarf war eine Unterstützung bei der Einschätzung hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Produkten, ebenso wie bei Kampagnenarbeit und Kontrollen.
- Hinsichtlich der Kommunikation wurde sich ein Konzept gewünscht. Im Idealfall bezieht es Kund:innen aktiv ein. Auch die Kommunikation gegenüber den Zulieferern wurde thematisiert.
- Ein Magazin, Social Media-Materialien sowie weitere Bildungsmaterialien wären ein wichtiger Hebel im Bereich der Kommunikation.
- Netzwerken war ein weiterer deutlicher Wunsch der Beteiligten. Eine Sensibilisierung durch eine aufklärende Eventreihe, eine Face2face-Community wie ein lokaler „Grüner Stammtisch“ wurde sich gewünscht.
- Die Erstellung einer Wissensplattform mit Inhalten, Referent:innen und Good Practice Beispielen wäre sehr hilfreich.
Dies ist nur ein Auszug der zahlreichen Ideen und Anregungen der Teilnehmenden des Zukunftsworkshops. Nun werden wir daran arbeiten, dass diese nicht verpuffen. Wir werden versuchen, sie weiterzutragen und die diskutierten Herausforderungen und Lösungsvorschläge auch wirklich anzustoßen. Hierfür wollen wir mit Politik, Verbänden und weiteren Institutionen in den Austausch und hoffentlich in die Umsetzung gehen. Let’s go!!
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