Gespräch mit Christian Sollich vom FSV Frankfurt 1899 über Kinder, Profis, Muddis und Fans – und die Wege des Fußballs
13. Mai 2019
Marlene Haas
„Fußball ist per se Bewegung – aber nicht nur auf dem Platz ist die Gestaltung von Wegen für uns von Bedeutung.“ – Ein Gespräch mit Christian Sollich vom FSV Frankfurt 1899 über Kinder, Profis, Muddis und Fans
Wir haben nachgefragt. Christian Sollich arbeitet beim FSV Frankfurt 1899, dem Frankfurter Fußballverein am Bornheimer Hang mit traditionsreicher Geschichte. Seit die „Helden der ersten Stunde“, eine Gruppe von 16 Frankfurter Jungs, im Jahre 1899 den Fußball-Sportverein Frankfurt gründeten, blickt der FSV auf eine über hundertjährige Vereinsgeschichte zurück.
Ich frage ihn, welche Wege bei einem Fußballverein von Bedeutung sind. „Naja, am liebsten sind uns die direkten Wege zum gegnerischen Tor – möglichst mit erfolgreichem Torabschluss!“. Aus der Perspektive hatte ich meine naive Frage gar nicht gemeint, aber ich muss über mich selber lachen. „Scherz beiseite,“ sagt er, „rund um den Fußballverein sind natürlich viele Wege von Bedeutung. Wir bewegen ja eine große Anzahl an Menschen, und das oft.“
Kooperation mit dem ÖPNV für mehr Klimaschutz
Ich hake nach. „Unser Stadion hat mehr als 10.000 Zuschauerplätze – da kommen bei Heimspielen viele Menschen an den Bornheimer Hang. Aus Klimaschutzgründen und aufgrund der angespannten Parksituation ist es uns wichtig, dass möglichst viele Fans mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Deshalb freuen wir uns, dass die Fahrt mit dem ÖPNV (RMV, VGF) in unseren Karten zur Saison 2018/19 wieder enthalten ist – das Ticket ist ab 5 Stunden vor Anpfiff und bis Betriebsschluss gültig.“
Das ist ja großartig! Insbesondere auch für diejenigen, die sich beim Spiel nicht von einem Bierchen abhalten lassen möchten… Win-win-win sozusagen. „Und wie ist das bei den Auswärtsspielen?“ frage ich nach. „Mit unserer Fan- und Förderabteilung sind Fans herzlich willkommen, gemeinsam mit dem Fanbus zu Auswärtsspielen zu fahren. Das spart nicht nur Klimaemissionen, sondern bringt auch enorme Stimmung und Zusammenhalt!“
Ich bin ja gespannt, wann solche Fanbusse zu Elektrobussen umgerüstet werden. Nun sind es aber ja nicht nur die „großen“ Fußballspiele in der Bundesliga oder Regionalliga, die Menschen bewegen. Viele, viele Kilometer werden insbesondere von Freizeit- und Breitensportlern zurückgelegt. Der DFB rechnet, dass Fußballdeutschland sich aus 6,8 Millionen Mitgliedern, Spielerinnen und Spielern in 25.500 Vereinen mit 165.000 Mannschaften zusammensetzt.
„Wieviele Mannschaften hat denn der FSV und welche Wege legen diese zurück?“ frage ich. Christian Sollich erklärt: „Etwa 180 Kinder und Jugendliche werden derzeit in unserem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet und laufen in einer der 9 Mannschaften im Trikot des FSV auf. Aber über deren Wege sind wir uns tatsächlich nicht genau im Klaren. Die Kinder und Jugendlichen kommen regelmäßig ins Training, haben Heim- und Auswärtsspiele, kommen zwischendurch zur Physio… Aber mit welchem Verkehrsmittel sie diese Wege zurücklegen und wie lang die Wege sind, das kann ich nicht sagen.“
Welche Wege legen die Vereinsmitglieder des FSV für Fußballtraining zurück – geht es klimafreundlicher?
Das ist doch mal eine Herausforderung. „Können wir es gemeinsam rausfinden?“ frage ich. Und wir können. Nach unserem Gespräch haben der FSV Frankfurt und Lust auf besser leben eine Umfrage bei den Spielern und Spielerinnen und deren Eltern zu ihren Wegen durchgeführt. Die Ergebnisse sind zwar recht grob (s. unten für Details), aber wenn man die Durchschnittsergebnisse hochrechnet, dann legen die SpielerInnen des FSV Frankfurt wöchentlich unglaubliche 30.000 Kilometer zurück. Also monatlich ca. 120.000km!
Die meisten Kilometer mit dem Auto
Davon ca. 61.000 Kilometer mit dem Auto, 53.000 Kilometer mit den Öffentlichen und immerhin 6.000 Kilometer mit dem Fahrrad. Und das nur für das Training. Dazu kommen ja noch die Spiele. Pro Auswärtsspiel wird im Schnitt eine Strecke von 51,22km zurückgelegt, davon 43% mit einer Fahrgemeinschaft. Dabei liegt das Maximum bei 184 bzw. 200km. Diese Werte springen direkt heraus und lassen sich auf die A-Jugend Spieler zurückführen. Die A-Jugendlichen spielen in der U-19 Bundesliga und fahren nach Augsburg, München und Stuttgart. Diese hohe Anzahl der Wege haben wir nicht erwartet.
Ich beginne vorsichtig, die Werte im Kopf auf die 25.500 Fußballvereine in Deutschland hochzurechnen, wobei natürlich nicht alle SpielerInnen so oft trainieren wie beim FSV, aber selbst wenn die Kinder in anderen Vereinen nur 2x pro Woche trainieren, kommen dabei schwindelerregende Zahlen raus.
Ich nehme mir auf jeden Fall vor, mir Gedanken zu machen, wie diese enormen Wege umweltfreundlicher gestaltet werden können, ohne dabei unpraktikabel zu sein.
Erläuterungen zur Umfrage:
An der Umfrage nahmen zwischen dem 3. und dem 14. April 2019 60 SpielerInnen des FSV Frankfurt teil, also immerhin ca. 1/3 der Gesamtmenge. Die Befragten sind aus den Jahrgängen 06/07 (D-Jugend) bis 00/01 (A-Jugend), wobei der größte Anteil (36%) der Befragten aktuell in der C-Jugend spielt und somit ungefähr 12 bis 14 Jahre alt ist. 72% der Beteiligten haben 4x pro Woche Training. Das ist echt oft. Hinzukommt ein Spiel pro Woche und bei 78% der Befragten zusätzlich ein Besuch der Anlage pro Woche, um zur Physiotherapie zu gehen oder zur Freizeitgestaltung. Die Umfrage zeigt, dass das Einzugsgebiet des FSV Frankfurt groß ist. Im Durchschnitt haben die Befragten eine Entfernung von 20,7km zwischen Zuhause/Schule und Verein.
Dieser Radius beinhaltet sowohl das Stadtgebiet Hanau und Offenbach sowie die Taunusregion um Bad Homburg, Oberursel oder Kronberg. Und natürlich auch das Gebiet Frankfurt. Durch die weiten Distanzen zwischen Wohnort und Fußballplatz ist es nicht verwunderlich, dass 51% mit dem Auto fahren bzw. gefahren werden. 45% der Befragten nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel und 5% fahren mit dem Fahrrad. Interessant wäre noch die Frage, ob die Eltern ihre Kinder nur zum Training fahren und danach wieder zurück nach Hause fahren, sodass die Wege eigentlich doppelt gezählt werden müssen, oder ob sie in der Zeit auf der Anlage bleiben. Das konnten wir mit der Umfrage nicht klären.
Pro Auswärtsspiel wird im Schnitt eine Strecke von 51,22km zurückgelegt, wobei 45% der SpielerInnen hierfür Fahrgemeinschaften nutzen. Das Maximum der Entfernung liegt bei 184 bzw. 200km. Diese Werte springen direkt heraus und lassen sich auf die Spieler der A-Jugend zurückführen. Die A-Jugendlichen spielen in der U-19 Bundesliga und fahren nach Augsburg, München und Stuttgart.
Marlene führt gemeinsam mit Alexandra die Geschäfte der Lust auf besser leben gGmbH, die sie 2014 gegründet hat. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind nachhaltige Quartiers- und Regionalentwicklung sowie die Konzeption und Umsetzung von innovativen Projekten, Kampagnen und Events.
Unsere lebenslustige Powerfrau Marlene liebt das Netzwerken ebenso wie die kreative Entwicklung neuer Konzepte. Ob analog oder im Social Web: Hauptsache sie erreichen und begeistern Verbraucher:innen und andere Zielgruppen für Nachhaltigkeit.
Die Arbeit mit Kleinunternehmen und deren Förderung im Bereich nachhaltiges Wirtschaften sind seit 2014 ihre besonderen Anliegen – damals wurde sie zur jüngsten (ehrenamtlichen) Vizepräsidentin Deutschlands in der IHK Frankfurt am Main gewählt und baute das dortige Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit auf. Mit Lust auf besser leben als „good Lobby“ zu agieren oder über knackige Texte die Öffentlichkeit für Nachhaltigkeitsziele zu begeistern ist mittlerweile das Steckenpferd der frisch gebackenen Mutter.
Als gelernte Veranstaltungskauffrau scheut sie sich nicht anzupacken. Die Denke „Das haben wir schon immer so gemacht!“ ist ihr völlig fremd, sie handelt gerne unkonventionell – und liebt gleichwohl die beinahe diktatorische Nutzung von Ablagesystemen und Aufgaben-Tools. Des Weiteren ist sie ehrenamtliche Aufsichtsrätin der OEKOGENO SWH eG, Steuerungsgruppenmitglied bei Fairtrade-Stadt Frankfurt und Rhein.Main.Fair. sowie im Beirat des kommunalen BNE-Vereins Umweltlernen Frankfurt e.V. und im Expert*Board des Zero Waste Labs der FES.