Zwischen höher, schneller, weiter – und tiefer, langsamer, kürzer. Team Insights 2021-7

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1. April 2021

ÜBER DEN AUTOR
Gesina Schalenberg
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Ein Gedankenexperiment über sportlichen Ehrgeiz und nachhaltigen Wandel

Neulich bei der Lust auf besser Leben gGmbH …

… ploppte plötzlich das Motto „Höher, schneller, weiter“ in meine Gedanken. Dabei hatte ich gar nicht an die beeindruckenden Leistungen ehrgeiziger Sportler gedacht. Die drei Wörter sind eigentlich das Motto der Olympischen Spiele.

Vielmehr schwirrten meine Gedanken noch um steigende Durchschnittstemperaturen, wachsende Müllberge, kurze Produktlebenszyklen, explodierenden Ressourcenverbrauch und immer weitreichendere Folgen der Umweltzerstörung und des Klimawandels für heutige und zukünftige Generationen – all diese Problematiken schienen in den drei Wörtern zusammengefasst.

Die große Beschleunigung

Tatsächlich beschreibt das Modell „Die große Beschleunigung“, dass seit Mitte des letzten Jahrhunderts ein exponentieller und nie dagewesener Anstieg in zwölf wirtschaftlich-gesellschaftlichen Parametern von menschlichen Aktivitäten beobachtet wurde. Die Auswirkungen davon schlagen sich unter anderem in einer extremen Zunahme in zwölf ökologischen Parametern des Erdsystems nieder. Zum Beispiel wurde das Weltbevölkerungswachstum von einem gesteigerten Düngereinsatz und höherer Wassernutzung begleitet, während gleichzeitig neben der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auch das Artensterben und die domestizierte Landfläche zunahmen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat dazu eine Broschüre veröffentlicht.

Verweis: Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de

Niebert, K., Kalisch, J. (2017): Artenvielfalt – Alles im Gleichgewicht? Infografik der Movum-Ausgabe 4/2017. Abrufbar unter http://movum.de.

Rockström, J. et al. (2009): A safe operating space for humanity. Nature, 461(7), 472–475.

Steffen, W., Broadgate, W., Deutsch, L., Gaffney, O., & Ludwig, C. (2015): The trajectory of the Anthropocene: The Great Acceleration. The Anthropocene Review, 2(1), 81–98.

https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/anthropozaen/261927/begleittexte-der-grafiken

 

Das eigene tickende Hamsterrad im Klimaschutz

Wenn ich mir das anschaue, erscheint mir die Notwendigkeit, auf die Bremse zu treten, absolut dringend und gigantisch. Und wenn ich mich mit Kolleg*innen und Freund*innen dann für Nachhaltigkeit einsetze, bekommt das Motto einen neuen Klang.

Höher werden die Ansprüche! An den großen Schrauben müssen wir drehen, den Lebensstil, das Wirtschaftssystem und das Miteinander von Grund auf umkrempeln – darf es noch etwas sein? Schneller muss es gehen! Uns läuft schließlich die Zeit davon, die Zeiger steuern auf empfindliche Kippunkte im Klimasystem zu. Es gibt so unendlich viel zu tun, denn wir wissen ja, wo es an allen Ecken und Enden schiefläuft. Die To-Do-Liste scheint schneller zu wachsen, als wir vorrankommen. Und unsere Reichweite muss wachsen! Mehr Menschen müssen überzeugt, mehr Vorträge gehört werden…

Aber was wäre, wenn …  aus Spaß drehe ich das Motto um: Tiefer, langsamer, kürzer!

Was könnte das heißen, für mich und mein Engagement? Ein tiefgreifender Wandel, denke ich, einer der nicht nur das Denken verändert, sondern auch das Fühlen und Tun … Ich möchte raus in die Natur gehen und mich auftanken mit Verbundenheit, Neugierde und Wertschätzung für den Planeten. Und ich möchte nicht nur über Nachhaltigkeit reden, sondern sie leben. Man sagt, „wenn du es eilig hast, gehe langsam“. Zwischen Klimademos und Schreibtisch muss Zeit sein, zum Wochenmarkt im anderen Stadtviertel zu radeln (siehe Foto) oder um Dinge zu reparieren, sodass sie länger halten. Ich überlege, dass eine Entschleunigung von Konsum und dem bienengleichen Umherschwirren zwischen Orten und Aktivitäten nicht nur der Erde, sondern auch mir guttun könnte. Das könnte kürzere Wege bedeuten und auch mehr lokales Engagement, direkt hier in der Nachbarschaft.

Die Abwandlung „Tiefer, langsamer, kürzer“ dient mir nun als Ankerspruch dafür, was einen nachhaltigen Wandel ausmachen kann.

Ich möchte das Motto aber auch in seinem ursprünglichen Sinn verstehen: als Antrieb zu gesundem Sportgeist – eben in Sachen Umweltschutz.  Wie das zusammenhängt, beschäftigt uns übrigens auch in unserem Projekt KlimASport, in dem es um die Anpassung von Sportvereinen an die Folgen des Klimawandels geht. Diese betreffen schon heute Sportlerinnen und Sportler in Deutschland, sodass Maßnahmen zur Klimaanpassung gefragt sind. In den nächsten Tagen veröffentlichen wir das Bildungsmaterial zum Mitmachen. Seid ihr auch motiviert? Schaut doch auf unserer Homepage www.klimasport.de vorbei und werdet mit uns gemeinsam nachhaltig aktiv!

Eure Gesina

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