War das Böllerverbot notwendig oder Symbolpolitik? Ein Kommentar.
11. Januar 2022
Henrik Brauel
Während die meisten noch mit der Suche nach dem passenden Weihnachtsgeschenk verbracht haben, dachten zum Jahresende hin einige daran, wie laut und farbenfroh sie das neue Jahr begrüßen können – ein Lichtblick in diesen Zeiten. Keine Frage: Das Zünden von Böllern und Feuerwerksraketen hat Tradition. Auch ich kann mich da nicht ganz rausnehmen. Doch in den letzten Jahren ist Böllern und Feuerwerk immer häufiger in die Kritik geraten. Neben den hohen Umweltbelastungen führen viele Kritikerinnen und Kritiker die Gefährdung von Tieren, die gesundheitlichen Probleme durch Feinstaub und die hohe Belastung der Krankenhäuser durch Unfälle in Kombination mit Feuerwerken an.
Pyrofans kontern, das Feuerwerk sei nicht relevant für das Klima, im Vergleich zu anderen Sektoren (wie z.B. Verkehr) und die meisten Verletzungen an Silvester entstehen durch Alkohol und/oder illegales Silvesterfeuerwerk. Also was ist dran am Klimakiller Feuerwerk? Hat es dieses Silvester etwas gebracht? Und ist das Verbot des Böllerns ein notwendiger Schritt oder Symbolpolitik?
Ist Böllern ein Klimakiller?
Böller produzieren neben den großen Mengen Feinstaub auch „kleine Mengen“ Kohlenstoffdioxid. Nach angaben des Tagesspiegel und des Verbandes der pyrotechnischen Industrie beläuft sich der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid eines Großfeuerwerks auf etwa 15 Kilogramm. Sie schreiben weiter: „Das ist verglichen mit anderen Klimabelastungen wie etwa der Automobilindustrie nicht viel. Hier sind es bereits bei einer Strecke von 20 Kilometern mit einem Diesel-Motor drei Kilogramm CO2.“ Natürlich kommt es hier auf die Menge der gezündeten Feuerwerkskörper an, dessen genaue Zahlen nicht bekannt sind. Was also genau an Silvester Insgesamt ausgestoßen wird, kann man nur vermuten, deshalb sollte sich die Debatte weniger auf die CO2 Emissionen beziehen, sondern eher die anderen Umweltbelastungen beachten.
Die Feinstaubbelastung – eine Gefahr?
In der Debatte um ein Feuerwerksverbot kommt es eher auf die Feinstaubbelastung durch Feuerwerkskörper an. Das Umweltbundesamt hat Zahlen zu der durch Feuerwerk erzeugten Menge Feinstaub veröffentlicht, rund 75% werden an Silvester verursacht. Feinstaub ist zwar eher unrelevant fürs Klima, dafür aber besonders schädlich für den Mensch selbst. Feinstaubartikel lösen nach Angaben des Umweltbundesamt Stress und Entzündungen in menschlichen Zellen aus. Dies kann zu Erkrankungen führen, sollte dieser Zustand über einen längeren Zeitraum anhalten. Durch eine anhaltende Belastung über Monate oder Jahre können so also Effekte wie Asthma, verringertes Lungenwachstum, Bronchitis oder Lungenkrebs auftreten, aber auch Bluthochdruck, Herzrhythmusvariabilität und Herz-Kreislauferkrankungen. „Insgesamt führt Feinstaub zu einer erhöhten Sterblichkeit“, beschreibt das Umweltbundesamt.
Und besonders in Zeiten von Corona ist Feinstaub eine ernstzunehmende Gefahr. Denn besonders Kinder, Menschen mit vorgeschädigten Atemwegen und ältere Menschen sind von einer hohen Feinstaubbelastung besonders betroffen. „Die Feinstaubbelastung sollte also so gering wie möglich sein, um gesundheitsschädliche Effekte zu minimieren.“, schreibt das Umweltbundesland. Nicht umsonst gibt es in der EU einen Grenzwert für Feinstaub. Dieser liegt bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter und darf nicht öfter al 35-mal pro Jahr überschritten werden. An Silvester dieser Wert jedoch schon ca. um das 18-20 Fache überschritten (nach Werten von 2019). Das entspricht einem Feinstaubausstoß von 900-1000 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter. Tatsächlich kann man also von einer Gefährdung für unsere Gesundheit vom zünden des Feuerwerks sprechen, welche meistens die betrifft die nicht Böllern können, weil sie entweder zu Jung, zu Alt und/oder vorerkrankt sind.
Lärmbelästigung und das Zerstören unseres Ökosystems
Für viele geht es beim Silvester Feuerwerk um den lautesten Knall und/oder um den hellsten, knallig farbigen Schein. Doch auch hier wird Kritik immer lauter. Die Knaller und Raketen lösen Stress, Angst und Panik in Haustieren aus, und lassen Zuchttiere (vor allem Junge), wie Kühe und Pferde vor lauter Blitzen und Lärm aufschrecken und Panik kriegen. Ein stresszustand der nicht gesund für die Tiere ist. „Für Tiere bedeuten die lauten Geräusche und Lichtblitze jedoch erheblichen Stress. Sie reagieren oft mit Panik und zeigen manchmal auch körperliche Symptome wie Durchfall.“, schreibt der Tierschutzverbund Vier-Pfoten.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland schrieb: „Tagaktive Vögel würden von ihren Schlafplätzen aufgeschreckt, verlieren während ihrer Flucht ihre Artgenossen und meiden noch Tage später ihre angestammten Futterplätze. Oft prallten sie während der Flucht gegen Glas- und Hausfassaden. […] Die Eichhörnchen-Nothilfe finde Jahr für Jahr verstörte Tiere oder sogar tote Eichhörnchen, die durch die Knallerei einen Herzstillstand erlitten hätten.“
Diese Umstände stellen erhebliche Störungen in Ökosystemen dar.
Verletzungen und die Überlastung der Notaufnahmen
Unsere Intensivstationen und Notaufnahmen sind in Zeiten von der 4. Coronawelle besonders belastet und zum Teil überlastet. Pflegende arbeiten schon am Limit ihrer Kräfte und schon längst über dem Limit der Arbeitszeiten. Die Angst ist also, bei teils 80,1% Auslastung der Intensivstationen, dass Corona in Kombination mit den jährlichen Verletzungen zu den Silvesterfeiern einen endgültigen „Gnadenstoß“ für das ohnehin schon überlastete Gesundheit System sein könnte.
Jedoch kommen die meisten Verletzungen von Alkohol und/oder illegalen Feuerwerkskörpern. Das schlicht fahrlässige Verhalten jener, die sich an Silvester nicht an geltende Gesetze halten können, und weder auf Mitbürger:innen noch auf sich selbst achten können, während sie mit einem hoch Explosiven Gegenstand hantieren, sind das eigentliche Problem von Silvester.
Ebenfalls macht sich der Trend unter manchen Explosionswütigen Mitbürger:innen breit, Rettungskräfte mit Raketen und Böllern anzugreifen und somit unzählige Leben aufs Spiel zu setzten. „Es geht auch um die Sicherheit der Einsatzkräfte in dieser Nacht“, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek.
Hat das Böllerverbot etwas gebracht?
Ob das Böllerverkaufsverbot und die Böllerverbotszonen etwas gebracht haben, können wir sehr wahrscheinlich erst in ein paar Wochen/Monaten mit Gewissheit sagen. Jedoch konnte man etwas anderes Feststellen. Über 1.500 illegale Feuerwerkskörper aus Polen hat der Zoll (stand 30.12.2021) an der polnisch-deutschen Grenze aus dem Verkehr gezogen. Eine deutliche Steigerung zum Vorjahr. Eine erschreckende Entwicklung, wenn man beachtet das die illegalen Feuerwerkskörper einer der Hauptverursacher der Verletzungen an Silvester sind. Wir können ebenso davon ausgehen, dass die Dunkelziffer der nach Deutschland illegal eingeführten Sprengstoffe an Silvester, deutlich höher ist.
Eigene Meinung
Natürlich ist die Silvesterböllerei eine Tradition, die man mit Action und Spaß mit der Familie verbindet. Jedoch darf man eines nicht vergessen: Das Böllern ist eine Tradition, die in einigen Hinsichten nach nicht nur uns selbst, sondern auch die Lebewesen um uns herum stark schädigt. Feuerwerk ist vielleicht nicht direkt ein Klimakiller, jedoch eine Belastung auf jeden Fall! Ich halte das Böllerverkaufsverbot für eine gute Idee, allerdings mit mangelhafter Umsetzung. Das Importieren von Feuerwerkskörpern ist so einfach wie noch nie, Dank dem Internet. Derjenige, der Böller will, kann sich innerhalb drei Tagen ganz einfach Feuerwerk von der Couch bestellen, ebenso wurde der Kauf von vielen auf Nachbarländer, wie Polen oder die Niederlande, ausgelagert. Vor allem durch sogenannte „Polenböller“, welche oftmals in Deutschland Illegal sind, steigt das Risiko auf Verletzungen und eine Überlastung der Intensivstationen. Allerdings hat es etwas noch Wichtigeres geschafft: Es wurde debattiert. Was ist der beste Umgang? Und brauchen wir Böller und Raketen noch? Wie Zeitgemäß ist der Brauch, im Angesicht der Corona- und Klimakrise?
Tiere, die vor Angst in Scheiben rennen oder fliegen, die Feinstaubbelastung, die für uns erhebliche Gesundheitsschäden mit sich bringen kann, die Gefahr für Rettungskräfte, die von gezielt auf sie abgefeuerten Feuerwerkskörpern/Böllern ausgeht und die mögliche Überlastung der Intensivstationen durch unverantwortliches Handeln (egal, ob nüchtern oder betrunken) sind die Hauptargumente.
Meiner Meinung sind sie mehr als ausreichend, um ein privates Böllerverbot fordern zu können. Jedoch muss jeder für sich entscheiden, ob er Feuerwerk als nötige Tradition sieht – oder als unnötig und auf sie verzichtet.
Euer Henrik
Hallo, ich bin Henrik. Ich mache zurzeit mein Jahrespraktikum bei Lust auf besser leben und kümmere mich primär um den Webguide, Newsletter und das Botschafter:innenprogramm. Dabei arbeite ich mich gerne in neue Themen ein und veröffentliche sie für Euch in Form von informativen Artikeln im Blog.