Trautes Heim, nachhaltiges Glück allein? Wie Umzüge und Möbel meine Werte herausfordern – Team Insight
7. April 2022
Gesina Schalenberg
Neulich bei Lust auf besser Leben…
Alles muss raus…
Mal öfter, mal seltener kommt wohl jeder an diesen Punkt: Ich stehe in der Mitte meines Zimmers und schaue mich um. Meine Aufgabe klingt simpel – umziehen, alles einmal an einen anderen Ort manövrieren. Oder doch nicht alles? Über die Zeit sammelt sich so dies und das an und vielleicht will ich bei dieser Gelegenheit auch mal einen Wandel wagen. Und wie bekomme ich das möglichst nachhaltig hin? Selbst als stoische ÖPNV- und Fernzug-Nutzerin kann in einen „Um-zug“ wohl kaum über die Schienen erledigen und ein Lattenrost in der Straßenbahn kommt meist nicht so gut an…
Wenn schon Autofahren, dann so kurz und nachhaltig wie möglich?
Also frage ich mich: Soll ich den kleinen Transporter mieten und bangen, ob alles nach dem Tetris-Prinzip um die Radkappen herum hineinpasst? Oder doch auf Nummer sicher gehen und den größeren halb befüllt durch die Gegend fahren? Überhaupt – es sollte doch nicht so absurd viel teurer sein, den Wagen am Zielort abzugeben, als ihn leer den ganzen Weg zurückzubringen!
Vereinfacht werden solche Fragen natürlich, wenn man sich die Beauftragung einer Umzugsfirma leisten kann. Dabei kann man tatsächlich auf Umweltaspekte achten: Es gibt inzwischen eine Iso-Zertifizierung (DIN ISO 14001), die soziale, ökologische und technische Nachhaltigkeit von Umzugsfirmen auszeichnet. Beispielsweise achten die Firmen auf die Mehrfachnutzung von Kartons, klimaschonende Fahrzeuge und eine gute Abfallentsorgung. Darauf kann man natürlich auch als Privatperson Wert legen. Oft haben Freunde oder Geschäfte in der nächsten Ladenzeile (Umzugs-)Kartons über, die sie abgeben können. Alternativ eigen sich Tüten hervorragend zum Stopfen und die spätere Verwendung als Müllbeutel 😉 Hier in Frankfurt nimmt unter anderem unser Nachhaltigkeits-Botschafter Internationale Spedition H. & C. Fermont GmbH & Co. KG seine Verantwortung für die Umwelt ernst und sucht ständig nach Verbesserungsmöglichkeiten.
Bleibt noch die Frage nach dem Inhalt des Transporters: Welche Möbel sollen ins neue Heim?
Mein Blick schweift über die liebgewonnene Kombination aus Möbeln. Sie stammen von meiner Oma, meinen Eltern und Ikea. Wenn ich so darüber nachdenke, wird diese Unterscheidung immer wichtiger. Die Holzkommode meiner Großmutter ist schwer, sperrig, ein sehr schöner treuer Begleiter und mit vielen Erinnerungen verbunden. Lohnt es sich, sie hunderte Kilometer durchs Land zu kurven? Mein Herz sagt ja! Und ihren Lebenszyklus weiter zu verlängern fühlt sich richtig an.
Womit wir bei Ikea wären: Kann ich dieses Sperrholz-Regal überhaupt noch einmal ab- und wieder aufbauen, ohne dass es auseinanderfällt? Es ist so praktisch, aber dass es eher nur als „Einmalmöbel“ taugt, ärgert mich. Im Zweifel könnte ich in der neuen Stadt günstig ein neues kaufen – aber zu welchem Preis? Immer wieder gerät die Möbelfirma mit negativen Schlagzeilen in die Presse.
Zum Beispiel verspricht der weltweit größte Verbraucher an Holz (!) seit 2020, dass all sein Holz recycelt oder FSC-zertifiziert sei. Doch bei einem Teil der Zulieferer bestanden im Jahr 2021 Zweifel an der Gesetzmäßigkeit der Holzeinschläge, wie die die ARD und die NGO Earthsight aufdeckten (Link zum Artikel). Perspektivisch möchte Ikea bis 2030 sogar insgesamt nur noch Möbel aus erneuerbaren oder recycelten Materialien verkaufen. Außerdem möchte es in „Circular Hubs“ nicht nur bereits genutzten und aufbereiteten Produkten ein zweite Chance geben, sondern auch Tipps zum Reparieren geben. Zuletzt hat Ikea eine Testphase zum Recycling von Kopfkissen und Bettdecken gestartet (Link zum Artikel). Das Möbelhaus hat also dazugelernt und befindet sich auf dem richtigen Weg, doch es bestehen noch große Herausforderungen in der Umsetzung der Ziele.
Manchmal muss auch ein neues Möbelstück her…
Letztlich ist der Umzug für mich auch ein Anstoß, endlich einen besseren Schreibtisch zu besorgen. Und wenn ich schon so viele Stunden am Tag daran verbringe, soll er auch praktisch und nachhaltig sein. Wieder fallen mir viele Möglichkeiten ein…
Am liebsten wäre mir natürlich ein Tisch aus Holz. Das Material kenne ich als einen nachhaltigen und nachwachsenden Rohstoff und es ist auch einfach schön. Solange Holz verbaut ist, statt verbrannt zu werden oder zu verrotten, speichert es das in ihm gebundene CO2. Das bringt allerdings nur etwas, wenn wir nicht zu viel Holz neu schlagen und auf dem Stoffkreislauf der Photosynthese heraus nehmen, überlege ich. Besonders raffiniert löst das Problem unser Nachhaltigkeits-Botschafter Manior: die soziale Schreinerei in Frankfurt haucht mit viel Liebe und in traditioneller Handarbeit alten und charakterstarken Holzteilen wie Eichendauben ein neues Leben als Möbelstück ein. Solche Massivholzmöbel sind bei richtiger Pflege langlebig und leicht zu recyceln.
Wenn es doch „frisches“ Holz sein soll, muss ich wieder an das FSC-Siegel denken, auf das Ikea zurückgreift. Es zeichnet Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und Möbel aus recyceltem Material aus. Eine kurze Recherche zeigt mir, dass es noch weitere Siegel gibt: Der Blaue Engel wird vom Umweltbundesamt einmalig für verschiedene Produkte, darunter auch Möbel, vergeben. Seine Kriterien sind deckungsgleich mit denen des RAL-RG 430-Zeichens. Dieses geht allerdings mit regelmäßigen Kontrollen der Produkte noch weiter. Außerdem gibt es noch Siegel von Naturland und dem internationalen Waldzertifizierungssystem PEFC für nachhaltige Waldbewirtschaftung.
Aber vielleicht muss es ja doch gar nicht Holz sein? Neuerdings gibt es immer mehr Alternativen, beispielsweise Bambus. Dieser wächst schnell, ist leicht (gut für Umzüge) und Allergiker-freundlich. Andererseits ist er leider mit großen Transportwegen nach Deutschland verbunden, da er aufgrund seines Wasserbedarfs vor allem von Kleinbauern in Asien angebaut wird. Sogar recycelte Pappe wird immer mehr für Möbel verwendet. Aber die Papptische, die ich im Internet finde sind mir etwas zu klobig.
Wer sich wie ich solche Gedanken zum nachhaltigen Möbelkauf macht, findet in unserer Online-Kampagne „Nachhaltig einkaufen – mobil im Kopf“ weitere Infos und Anregungen. Hier berichten wir in Stories, Tipps und Hintergrundgeschichten beispielsweise über nachhaltige Holzmöbel, Betten aus dem Kiez, Federn lassen und kurze Wege. Welche Reise haben die Möbel hinter sich und was hat es mit den Nachhaltigkeitssiegeln wirklich auf sich?
Second Hand = Second FIRST Best
Ich bin also so lange damit beschäftigt, in Zeiten von Holzknappheit und Lieferengpässen nach einem nachhaltigen neuen Schreibtisch zu suchen, dass sich das Problem von selbst löst. Ein bisschen Geduld und huch! Da steht beim Morgenspaziergang ein einwandfreier höhenverstellbarer Tisch zum Verschenken vor dem Nachbarhaus. Kein neuer Holzschlag, kein Transportweg, kein Sperrmüll-Anmelden und Holzverbrennen mehr nötig – eine Win-Win-Situation für die Nachbarn, das Klima und mich.
Second-Hand-Möbel sind zum Glück nichts neues. Unser Nachhaltigkeits-Botschafter Knärzje hat sein neues Büro vorwiegend damit eingerichtet. Auf E-Bay, in Free-Your-Stuff-Facebook-Gruppen, in Datenbanken der regionalen Entsorgungsbetriebe etc. findet man immer wieder Schätze zu einem günstigen Preis. Ein bisschen Ausdauer bei der Suche und Spontanität beim Abholen braucht es dafür natürlich schon (räusper… daher die Erfahrung mit dem Lattenrost im ÖPNV). Der Menshc braucht ja auch kleine Herausforderungen 😉
„Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht.“ (Nico Paech)
Nun gut, wenn ich ganz zum Schluss beim Einpacken sowieso alles noch einmal in die Hand nehme, kann ich mir auch ein wenig extra Zeit nehmen und aussortieren. Denn nach dem Motto von Niko Paech kann weniger auch mehr sein – mehr Platz, Zeit, Wertschätzung etc. Meistens ist man ja selbst überrascht, wie sehr sich andere noch über die Dinge freuen können, die man loswerden möchte (siehe Schreibtisch oben). Die ausgemisteten Dinge zu spenden beschert ein gutes Gewissen, sie zu verkaufen sogar noch ein kühles Bierchen für die Umzugshelfer. Nach dem erfolgreichen Assortieren ergeben sich für mich sogar weniger Umzugskartons, Miet-/Spritkosten und Schlepperei.
Mein Fazit: Ein nachhaltiger Umzug und eine nachhaltige Einrichtung sind eine Herausforderung, aber nicht unmöglich. Er braucht viel Vorlauf, für die Recherche, das Aussortieren und das sinnvolle Weitergeben. Aber es lohnt sich! Jeden Tag kann man sich stolz umsehen und sich an seinem neuen Heim erfreuen!
Eure Gesina