Suche nach meiner Rolle im Bildungssystem | Team Insight von Alexandra
10. April 2024
Alexandra
Suche nach meiner Rolle im Bildungssystem
Als ich mich nach der Schule für mein BWL-Studium entschieden habe, hatte ich keine Ahnung, was ich mit meinem Leben machen wollte. Mein Vater arbeitete bei Siemens, die Berufsberatung an meiner Schule in Jakarta (wo ich Abi gemacht habe) war eher nicht so inspirierend und ich wusste zwar, in welcher Stadt ich studieren wollte, aber nicht, welches Fach. Also wurde es BWL in München. Die Begriffe „Zukunftsfähigkeit“ und „Nachhaltigkeit“ habe ich damals kein einziges Mal gehört, da sie noch keine Rolle spielten. Kurz bevor ich das Studium abbrechen wollte, weil mich Marketing und Buchhaltung so gar nicht inspirierten, schlitterte ein neuer Professor an unsere Uni. Prof. Karl Homann brachte die Themen Wirtschafts- und Unternehmensethik an die Uni München, und zum ersten Mal während des Studiums war ich von den Socken. Mit seinem Buch „Sollen und Können: Grenzen und Bedingungen der Individualmoral“ hatte ich den Eingang in meine Zukunft gefunden. Und doch war damals von der Dringlichkeit des Handelns noch nicht viel zu spüren. Klimawandel? Biodiversität? Pustekuchen. Dass mein neues Wahlpflichtfach an der Philosophiefakultät angesiedelt war, sagt alles. Spannend war es dafür umso mehr. Aber von da an war ich selbst verwirrt über die Rolle, die ich selbst im Bildungssystem einnehmen wollte. Wollte ich forschen? Lehren? Theorie in Praxis übertragen? Seitdem suche ich meine Rolle im Bildungssystem, aber ich glaube, ich werde die eine Rolle nicht finden. Es sind eigentlich viele unterschiedliche Rollen in der beruflichen, formalen, non-formalen und informellen Bildung.
Mein Exkurs in die Forschung – Zeit für Ordnung im Kopf
Nach dem Studium hatte ich mehr Fragezeichen als Antworten im Kopf. Wie können wir als Gesellschaft anreizkompatible Rahmenbedingungen für Unternehmen setzen, die Moral in der Wirtschaft fördern? Verbote? Anreize? Funktionieren Selbstverpflichtungen? Wie können Unternehmen anreizkompatible Strukturen und Prozesse implementieren, damit Mitarbeitende sich an Regeln halten? Fragen über Fragen, aber das Studium war vorbei. Zum Glück nahm Prof. Ingo Pies mich am Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik auf, wo ich in einem unglaublichen Team Tag und Nacht über diesen Fragen brüten durfte. Ich bin ihm für diese Zeit sehr dankbar, da sie mein Leben sehr geprägt hat. Nach der VWL-Promotion stellte er mir die Frage, ob ich für eine Habilitation in der Wissenschaft bleiben würde. Aber mein Herz sagte sofort nein. Ich hatte in diesen Jahren ausreichend Zeit, um mir mit David Hume und Friedrich August von Hayek spannende Antworten zu erarbeiten, die ich mit der Praxis abgleichen wollte.
Theorie-Praxis-Dialog: Ping Pong in Richtung Zukunft
Seitdem bewege ich mich zwischen den Welten. Das theoriegeleitete Wirken in Richtung verantwortungsvollen Fortschritts ist mein Leitstern geworden. Praktisch heißt das, dass mein Alltag bunter nicht sein könnte, aber die Theorie ökonomischer Ethik (nicht zu verwechseln mit einer Ethik der Wirtschaft!) begleitet mich dabei immer noch täglich. Ständig gewinne ich in der Praxis neue Erkenntnisse und Fragestellungen, die ich durch die mentalen Mühlen meiner ordonomischen Gedankenwelt jage. Mal wird durch diesen Prozess die Theorie in meinem Kopf bunter und klarer, mal entwickeln sich meine Empfehlungen für die Praxis weiter, sei es bei den Nachhaltigkeitsberatungen für Unternehmen, bei der Redaktion eines Positionspapiers zu nachhaltigem Wirtschaften für die IHK Frankfurt, bei Nachhaltigkeitsschulungen für Sanofi oder die Stiftung Polytechnische Gesellschaft, bei der Vernetzung von Bildungsakteuren in den hessischen BNE-Netzwerken oder für die Prozessberatungen und Organisationsentwicklungen, die wir begleiten dürfen. Dieses Springen ist zwar enorm fordernd und anstrengend, aber auch bereichernd und abwechslungsreich.
Und was ist mit der formalen Bildung? Mein Beitrag zu BNE an der Uni
Als ich mich vor 10 Jahren selbständig machte, war die Lehre an der Uni für mich der sichere Fuß in der Tür, um zumindest ein wenig Geld zu verdienen, während der Erfolg meines Unternehmerinnentums noch in den Sternen stand. Mit der Zeit wurden die Kapazitäten knapper, und ich musste meine Lehrtätigkeiten an der Leuphana Business School in Lüneburg und an der Goethe Uni Frankfurt deutlich zurückschrauben. Dabei steigen die Bedarfe kontinuierlich, da Bildung für Nachhaltige Entwicklung endlich auch mit Wucht Einzug an Schulen und Hochschulen hält. Deshalb möchte auch dem formalen Bildungssystem etwas zurückgeben, nachdem ich so sehr davon profitiert habe. Und die jungen Menschen in den Lehrveranstaltungen greifen die Theorie begeisterter auf denn je, wenden sie auf Fallbeispiele von Unternehmen an, diskutieren, und oft leuchten ihre Augen dabei. Das sind Momente, in denen ich daran glaube, dass wir es als Gesellschaft schaffen werden. Dass die Studierenden mein Seminar „Nachhaltigkeitsmanagement – Konzeption und Implementierung“ auch noch mit dem 1. Platz beim Preis für gute Lehre im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe Uni ausgezeichnet haben, bedeutet mir viel. Danke an Prof. Gerhard Minnameier, der mir ständig volles Vertrauen geschenkt hat.
Die Fragen an Euch: Welche BNE-Bildungsangebote hauen Euch vom Hocker und was wünscht Ihr Euch von Lust auf besser leben?
Eure Alex
Alexandra ist unser analytisches Ass und erfasst schnell das große Ganze mit allen komplexen Schnittstellen. Dabei versorgt uns die herzliche Frohnatur immer mit frischen und pragmatischen Ideen. Ihren beruflichen Alltag managt die Mutter von zwei Kindern und dem süßesten Hund der Welt mit einem ausgeklügelten Aufgabenmanagement und viel Humor.