Kognitive Dissonanz: Bilder generieren mit künstlicher Intelligenz
29. Juli 2025
Lukas Glöckner
Ist es eigentlich in Ordnung in einem gemeinwohl- und nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen zu arbeiten und dabei gleichzeitig auf die emissionsschweren Wunder künstlicher Intelligenz zurückzugreifen?
Ganz pauschal: Eher nicht. Anders als oft in der Öffentlichkeit diskutiert, hat dies jedoch weniger mit den ökologischen als vielmehr mit den sozialen Faktoren zu tun:
Die Entwicklung und das Training von KI-Modellen erfordern oft große Mengen an Daten, die von Menschen annotiert, gelabelt oder anderweitig verarbeitet werden müssen, um die Modelle zu trainieren. Oftmals werden diese Aufgaben an sogenannte „Data Labelers“ oder „Annotation Workers“ ausgelagert, die häufig zu niedrigen Löhnen oder unter prekären Arbeitsbedingungen arbeiten. Auch die Art von Inhalten, mit denen sich die Arbeiter:innen regelmäßig konfrontiert sehen reichen von harmlos über unappetitlich bis ethisch fragwürdig und juristisch eindeutig strafbar. Es ist (zum Glück) immer noch der Mensch, der zwischen „Gut und Böse“ unterscheiden muss.
Die soziale Dimension schafft also schon einmal Unmut, sich den Schattenseiten Künstlicher Intelligenz überhaupt stellen zu wollen. Umso mehr freute es mich, als mich vor einigen Wochen folgende Artikelüberschrift grüßte: „The carbon emissions of writing and illustrating are lower for AI than for humans“, erschienen in der renommierten „Nature“.
Wie der Titel bereits vorwegnimmt, kommt diese „Studie“ tatsächlich zu der Erkenntnis, dass künstliche Intelligenz sehr viel weniger CO2-Emissionen für das Generieren von Texten oder Bildern benötigt, als ein:e durchschnittliche:r US-Amerikaner:in (Weshalb US-Amerikaner:in? Das steht in der Studie J).
„Das ist ja ganz wunderbar“ dachte ich mir, „jetzt gibt es wenigstens einen negativen und einen positiven Aspekt“. Als ich dann noch ein paar Minuten länger darüber nachdachte, fiel mir der passende Begriff für mein Verhalten ein: „Kognitive Dissonanz“. Bezeichnet wird damit der Zustand eines inneren Konfliktes, der entsteht, wenn ich unvereinbare „Kognitionen“ (z.B. Überzeugungen, Werte, Meinungen, Wissen) gleichzeitig habe.
Auf der einen Seite engagiere ich mich für Menschenrechte entlang der Lieferkette, habe dann aber kein Problem damit, wenn Menschenrechte indirekt durch mein Zutun verletzt werden. Dieser Zustand ist häufig gekennzeichnet durch unangenehme Spannungen und Unwohlsein, was die betroffene Person dann dazu motiviert die Dissonanz zu reduzieren.
Eine für mich persönlich erfolgsversprechende Strategie zur Reduktion von Dissonanz wiederum ist die Suche nach unterstützenden Informationen, welche das Ziel haben die widersprüchlichen Informationen in den Hintergrund zu drängen.
Das sieht dann in etwa so aus: „Ja, das ist jetzt natürlich blöd, dass die glänzenden Silicon Valley Start-ups überhaupt kein Interesse an Arbeitnehmer:innenrechten haben. Aber wenn die KI-Bilder doch zumindest besser fürs Klima sind als ein:e menschliche Illustrator:in, dann ist doch auch schon viel gewonnen.“
Lassen wir mal außer Acht, dass dieser Satz in vielerlei Hinsicht berechtigten Raum für Konflikt und Kritik bietet und widmen uns noch einmal eingangs gestellter Frage:
Ist es eigentlich in Ordnung in einem gemeinwohl- und nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen zu arbeiten und dabei gleichzeitig auf die emissionsschweren Wunder künstlicher Intelligenz zurückzugreifen?
Ganz pauschal: Es gibt immer Zielkonflikte. Klar ist alkoholfreier Wein aus der Region gesünder für Individuum und Gesellschaft. Andererseits verursacht das Verfahren zur Verdampfung des Alkohols hohe CO2-Emissionen. Nachhaltiges, energieeffizientes Bauen mit umweltfreundlichen Materialien und energieeffizienten Technologien ist wichtig, doch wirkt sich das unmittelbar auf die Erschwinglichkeit des Wohnraumes aus. Technologische Innovationen, die auf unsere Nachhaltigkeitsziele einzahlen sollen, erfordern oft den Einsatz neuer Rohstoffe und komplexe Produktionsprozesse, die selbst erhebliche Umweltauswirkungen haben können, … und so geht es für immer weiter.
Die wichtigere Frage ist deshalb für mich, was ich mit der Hilfe der Künstlichen Intelligenz erreichen möchte. Am anderen Ende der Welt Seltene Erden von Menschen ohne Arbeitsrechte und Sicherheitskleidung aus radioaktivem Gestein waschen zu lassen ist ja schließlich auch in Ordnung, solange wir daraus Magnete für unsere Elektromotoren und Windkraftanlagen herstellen.
Solange ich also durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz positive Effekte auf Umwelt und Gesellschaft erziele …
Und da ist sie auch schon wieder …

Lukas kommt im Oktober 2022 „aus der Wirtschaft“ zum Team dazu. Der gelernte Mediengestalter und Kommunikationsmanager B.A. beschäftigte sich schon einmal vier Jahre selbst als freischaffender Gestalter, bevor er bei einem mittelständischen Familienunternehmen für zweieinhalb Jahre die Verantwortung für die Unternehmenskommunikation und den Themenkomplex „CSR“ übernahm.
Mit vielen Impulsen aus seinem überregionalen Nachhaltigkeitsnetzwerk interessiert er sich besonders für die Themenkomplexe Lieferketten, Berichtspflichten, Wesentlichkeitsanalysen und Klimabilanzen – und ist im Herzen stets kreativer und besonnener Hands-on-Teamplayer geblieben.
Um die (Nachhaltigkeits-)Transformation der Wirtschaft in und um Frankfurt am Main aktiv zu unterstützen, zu begleiten und auch zu moderieren ist er Teil des Teams! Als externer Lehrbeauftragter unterrichtet er zudem ab dem Sommersemester 2024 „CSR und nachhaltige Unternehmensführung“ an der Hochschule Fresenius in Wiesbaden.