Interview mit dem Haushaltswarengeschäft MEDER über kurze Wege und Bembel

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2. März 2019

ÜBER DEN AUTOR
Marlene Haas
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„Die deutsche Porzellanindustrie macht mir die kurzen Wege nicht leicht – aber es gibt Lichtblicke!“ – Ein Gespräch mit Franz Steul vom traditionsreichen Fachgeschäft MEDER über taiwanesische Retter, ‚Schoppe‘ mit gutem Gewissen und CO2-Zylinder aus Neu-Isenburg.

Wir haben nachgefragt. Seit mehr als 140 Jahren gibt es die Firma MEDER, die sich auf fachkundige Beratung für Haushaltswaren spezialisiert hat. Genau der richtige Ort, um mich nach den Hintergründen zu meiner Tasse zu erkundigen. Ich frage, ob ich im Laden wohl eine Tasse mit kurzen Wegen kaufen kann. „Natürlich! Was suchst du denn?“, fragt Franz Steul. Schon bald merke ich, dass meine Frage wohl etwas zu einfach war, denn die Frage ist ja, was genau mein Herz begehrt. Wenn ich das nur wüsste… Er erklärt mir: „Es gibt unterschiedliche Arten an Tassen. Möchtest du in Deutschland gefertigtes Porzellan, hochwertiges günstigeres Porzellan von einer australischen Marke oder einen wirklich günstigen Keramikbecher mit flotten Sprüchen? Oder Apfelweingläser und Bembel?“ Mmh.

„Made in Germany“ vs. Fernostproduktion

Zuerst frage ich, warum die Becher mit den flotten Sprüchen denn so viel billiger sind – wir reden von 3 Euro im Vergleich zu 20 oder 30 Euro. „Bei diesen Bechern bezahlst du zum einen die Marke nicht mit. Das macht schon viel aus. Aber zum anderen findet die Produktion mit günstigem Material in Fernost statt und die Logistikkosten sind relativ gering. Da kann ‚Made in Germany‘ nicht mithalten.“ OK, das verstehe ich. Also sind die günstigen Tassen in der Regel weder qualitativ hochwertig, noch haben sie kurze Wege. Sie werden industriell in Fernost zu einem Bruchteil produziert und gelangen dann über eine komplexe Lieferkette mit vielen Kilometern auf den deutschen Esstisch.

„Und warum ist die australische Marke mit hochwertigem Porzellan günstiger als die deutsche Marke?“ frage ich mich. Franz Steul führt mich zu seinen Ausstellungsregalen, wo liebevoll das Service von deutschen Marken wie Villeroy & Boch oder Thomas neben modernem Porzellan von Maxwell & Williams ausgestellt ist. Er erklärt: „Die traditionsreichen deutschen Manufakturen stellen oft tatsächlich noch in Deutschland her, aber deutsche Löhne treiben die Produktionskosten in die Höhe. Die australische Marke hat die gleiche hochwertige Qualität, aber produziert nicht in Deutschland, und durch die geringen Lieferkosten können sie mit einem günstigeren Preis in den Markt gehen. Hier bekommen Kunden ein gutes Preisleistungsverhältnis, mit dem deutsche Marken immer noch nicht konkurrieren können. Das macht es uns als Händlern nicht einfach, die Produkte zu verkaufen.“

Kaum eine Porzellanmanufaktur war noch nicht insolvent

Ich erinnere mich vor kurzem gelesen zu haben, dass es kaum eine deutsche Porzellanmanufaktur gibt, die nicht schon insolvent ist oder war. Gerade erst im Januar hatte die Höchster Porzellan-Manufaktur, die seit 1746 besteht, nach jahrelangen Verlustgeschäft Insolvenz angemeldet und konnte in letzter Sekunde von einem taiwanesischen Investor gerettet werden. (Mehr hier: //www.faz.net/aktuell/rhein-main/wirtschaft/weisses-gold-aus-hoechstauch-in-der-neuen-frankfurter-altstadt-15650817.html)

Das erschreckt mich. Und frustriert mich. „Habe ich also nur die Wahl zwischen billigem Mist mit langen Wegen, guter Qualität mit mäßigen Preisen und langen Wegen oder teurer Qualität mit kurzen Wegen?“ frage ich. „Nein, es gibt auch Alternativen.“ Er führt mich zu dem Regal, in dem die regionalen Angebote mit den kürzeren Wegen ausgestellt sind. Stolz zeigt er mir die süßen lokalen Bornheim-Tassen, die handbemalt Motive wie den Günthersburgpark, die Kirchnerschule oder traditionsreiche Gaststuben in Szene setzen.

Bornheim-Tasse aus deutschem Ton

„Diese Tassen bekommt man exklusiv bei uns im Geschäft – die Tassen selbst werden mit deutschem Ton hergestellt, von der Marke Mila in Osteuropa handbemalt, und dann kommen die fertigen Tassen direkt zu mir ins Geschäft. Die Wege zum Bemalen sind natürlich auch nicht kurz, aber ohne Zwischenhändler und kürzer als Asien, und die Handarbeit können wir uns in Deutschland nicht leisten. Dafür ist die Tasse mit knapp 10 Euro bezahlbar.“ Stimmt, denke ich mir, während ich mich frage, wem ich diese süßen Tassen als Geschenk mitbringen könnte… „Alternativ gibt es natürlich auch Becher aus nachwachsenden Rohstoffen wie Bambusfaser, Reis, Maisstärke & Melamin“, erklärt er. „Aber wie die Produktionswege dieser Becher genau aussehen, weiß ich auch nicht genau.“ Ich erinnere mich, dass es beim Frankfurter Pfandsystem ‚cup2gether‘ einen Becher aus nachwachsenden Rohstoffen und natürlich vorkommenden Mineralien gibt (Stärke, Glucose, Lignin (Baumharze), pflanzliche Öle, Wachse und mineralische Füllstoffe), der in Hanau produziert wird und ohne ‚Klebemittel‘ auskommt. Aber bei den modernen Biobechern muss man schon ganz genau hingucken, ob das alles sinnvoll ist.

Die Wege des Bembels

„Außerdem“, sagt Franz Steul und schmunzelt, „muss man ja nicht nur Kaffee trinken – in Frankfurt gehört Apfelwein genauso zu den Grundnahrungsmitteln!“ Erwischt. Ich habe mir in der Tat noch nie Gedanken darüber gemacht, wo der Bembel eigentlich herkommt. Ich zucke kurz zusammen bei der Vorstellung, wie industriell gefertigte Bembel in China vom Band laufen könnten. „Nein!!“, beruhigt mich Franz Steul. „Unsere Bembel werden mit Ton aus dem Westerwald hergestellt und lokal handbemalt. Jedes Stück ein Unikat! Und der Apfelweindeckel wird aus heimischem Nussbaumholz in Frankfurt von Hand gedrexelt!“ Na, da ist er wieder – der Ton aus dem Westerwald! Kürzere Wege und nachhaltigere Produktion gehen kaum… Cool, denke ich, Genuss ohne schlechtes Gewissen!

Während wir über Tassen reden, merke ich, dass man sich bei MEDER schon öfter Gedanken über die Wege von Produkten gemacht hat. „Gibt es denn sonst noch Produkte beim MEDER, bei denen Wege eine Rolle spielen?“ frage ich.

Auch beim Wasser auf kurze Wege achten

Franz Steul erklärt, dass es nicht immer möglich ist, kurze Wege sicherzustellen. „Die Rohstoffe selbst kommen halt oft aus dem Ausland, weil sie hier gar nicht vorkommen, zum Beispiel bestimmte Metalle für Töpfe oder Pfannen. Aber ‚Made in Germany‘ möchte ich unterstützen – ich versuche primär Produkte aus deutscher Produktion anzubieten. Und auch ansonsten bieten wir Produkte für kurze Wege an: Wer Leitungswasser selbst mit Kohlensäure versetzt, belastet die Umwelt deutlich weniger als durch den Kauf von Mineralwasser. Und beim Wassersprudler entfällt der lange Transport des Wassers aus fernen Gegenden oder gar anderen Ländern oder der Transport der Pfandflaschen. Natürlich muss man die CO2-Zylinder ab und zu austauschen, aber die leeren Zylinder lasse ich in der Nähe von Neu-Isenburg abfüllen – das sind gerade mal 13km.“ Genial. Und ich spare mir auch noch das Schleppen der Wasserkästen in den vierten Stock. Günstig, bequem und kurze Wege.

Und zum Schluss merke ich noch mal, was die Seele vom MEDER ausmacht: der Kunde steht im Mittelpunkt. Franz Steul erzählt mir, dass ihm nicht nur die Wege seiner Produkte, sondern auch die seiner Kunden und Kundinnen wichtig sind. „Eine ältere Kundin, die kaum mehr gehen kann und einen Porzellan-Kaffeefilter hier kauft, die benötigt bestimmt auch noch Filtertüten. An Filtertüten verdiene ich nicht viel, aber selbstverständlich verkaufe ich sie ihr mit, damit sie nicht noch in ein weiteres Geschäft laufen muss.“ Ich freue mich, dass es solche Geschäfte in Frankfurt noch gibt, und hoffe, dass auch in Zukunft noch genügend Kunden diese Qualitäten schätzen können.

 

 

Marlene Haas
Author: Marlene Haas

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