Faire Meile: Bienen – Berger Straße – kaputte Schuhe | Team Insight von Margit

VERÖFFENTLICHT

16. Juli 2024

ÜBER DEN AUTOR
Ankathrin Förster
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Die Faire Meile: Was haben Bienen, Mohnblumen, die Berger Straße, kaputte Schuhe, die Tatortkommissare Ballauf und Schenk, das Rana Plaza Textilunglück, die Wochenendrebellen und Mango Monkeys miteinander zu tun? 

Ein etwas ausufernder Erklärungsversuch, der hoffentlich Spaß beim Lesen bringt.

 

Am Wochenende war ich mit dem Rad unterwegs. Überall saftige Wiesen mit Wildblumen, Mohn, Schafsgarbe, Margeriten, meterhohe Disteln mit prall-lila Blüten.  Duft von frisch gemähtem Gras und Getreide, das bald geerntet werden will. Überall summte es. Dicke Hummeln, Schmetterlinge, es war ´ne Menge los in diesen mit guter Energie angefüllten Momenten.

Ich sitze am Schreibtisch. Ankathrin bat mich für den nächsten Labl – Newsletter einen Beitrag zu schreiben. Über mir wird heftig gebohrt, die Nachbarn bekommen ein neues Bad. Kann mich nicht konzentrieren, schnappe meinem Laptop und suche im Garten ein schattiges Plätzchen.

Auch hier tanzen Schmetterlinge in der Sonne und das Gezwitscher der Vogel lässt mich abdriften. Die schönen Bilder und die intensiven Momente von meinem Ausflug in die Natur blubbern aus meinem Inneren.

Aber auch eine andere Stimme aus meinem Inneren meldet sich zu Wort: „Hallo Margit, los geht’s, reiß´ Dich zusammen, werde produktiv! Schreibe über „die Faire Meile“. Jetzt!!

 

Was ihr Wissen solltet:

Die Lust auf besser Leben gGmbH und das Faire Meile Team möchten auf der längsten Einkaufsstraße Frankfurts die Klimagerechtigkeit, Fairen Handel und nachhaltigen Konsum in den Fokus rücken. Wir fragen uns, was kann eine Einkaufsstraße, was kann der stationäre Handel tun, um Nachhaltigkeit umzusetzen? Wie lernen Kunden und Kundinnen mehr über globale Gerechtigkeit – und das beim Einkaufen?!

Ich bin die Projektleitung dieses Vorhabens. Von 2019 bis 2022 war ich bereits #rundumdieberger als „Kümmererin“ unterwegs und habe die Gewerbetreibenden während der Corona Pandemie intensiv begleitet. Wir kennen uns und zu Vielen besteht ein vertrauensvolles Verhältnis. Trotzdem spüre ich anfänglich Zurückhaltung bei dem Thema. Was kann ich tun, um diese Zurückhaltung zu überwinden? Mit Gewerbetreibenden sprechen, für die Nachhaltigkeit Geschäftsmodell ist. Stefan vom Weltladen, Marlen aus der Auffüllerei, Claudia von Wunderwerk und Sandra von re-cover waren wertvolle Gesprächspartner:innen und meine  Nachhaltigkeits-Steakholder #rundumdieberger.

Im Projektteam teilten wir das Projektvorhaben in kleine Häppchen auf, definierten Meilensteine, arbeiteten Schwerpunkte heraus und suchten weitere Verbündete. Ich gewann Sicherheit und das „Fairness geht durch den Laden-Abenteuer“ nahm Fahrt auf. Zu erkennen, wie sich unsere Art zu Leben, zu konsumieren und zu produzieren auf die Menschen, die Natur und die Gesellschaft im Globalen Süden auswirken, war zuweilen sehr schwer auszuhalten. Trotzdem ist es uns gelungen, Menschen zu begeistern und zum Nachdenken anzuregen. Immer wieder hörten wir „ach das habe ich gar nicht gewusst, oh da muss ich beim nächsten Einkauf mal drauf achten.“ Humor, kein moralischer Zeigefinger und Verständnis wirken zuweilen Wunder.

Einzelhändler:innen und Kund:innen wurden zu Fairanstaltungen und anderen kreativen Formaten eingeladen. Wir sammelten Ideen gegen die Verpackungsflut, große und kleine Bornheimer:innen bastelten in der Adventszeit Weihnachtsschmuck aus Verbrauchsmaterialien und „Müll“. Damit schmückten wir die Weihnachtsbäume des Gewerbevereins – Chrismas Upcycling. Bei „Faire Rosen zum Internationalen Frauentag“ ließen wir die Frauen hochleben und rückten die Arbeitsbedingungen der Pflückerinnen in Afrika und Südamerika in den Mittelpunkt. Natürlich gab es auch faire Rosen für die Ladies. Einen Film guckten 25 Menschen im Modegeschäft BUNT und diskutierten, eingerahmt von wunderschönen Kleidern, über ihren randvollen Kleiderschrank. Sie fragten sich „wer zahlt eigentlich den Preis der billigen Mode?“ und diskutierten Alternativen zu Fast Fashion. Am Uhrtürmchen standen wenige Tage danach die Opfer des Rana Plaza Fabrikeinsturzes im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Das zentrale Element war eine kreative Gedenkstätte, bei der Stoffblüten aus alten Kleidungsstücken und Fehlkäufen gestaltet wurden.

In verschiedenen Webinaren konnten Interessierte ihr Wissen zu Fairem Handel, den Fairtrade Siegeln und Fairtrade Standards vertiefen, sowie über mehr globale Gerechtigkeit im Sport nachdenken.

 

Was gab es noch an Aktionen?

Schlaflose Nächte bereitete mir das Open Air Kino, kurz vor Beginn der EM – mein persönliches Highlight. Mir war wichtig, einen Ort der Begegnung zu schaffen, der kein „Abseits und kein Aus kennt“. Rund 100 Menschen sind zu dem kostenfreien Event gekommen und haben sich gemeinsam unter dem Sternenhimmel „die Wochenendrebellen“ angeschaut. Schee war´s und viele wünschten sich so ein Kino für alle, öfter!

Im Juli ist Bergfest und die Hälfe der Projektzeit ist um.

 

Lässt sich schon eine Zwischenbilanz ziehen?

Das Konzept Einzelhändler:innen,  Gastronomen und Kund:innen zusammenzubringen, ist aufgegangen und der Austausch war bisher für beide Seiten bereichernd. Die branchenspezifische Vernetzung vor Ort treibt erste zarte Blüten. Das behutsame Vorgehen und unsere transparente, wertschätzende Kommunikation tragen ebenfalls Früchte. Ist die Berger auf dem Weg zur „Fairen Meile?“ Von mir ein Yes,yes,yes!

Hier gibt es Läden, die für Faire Mode begeistern, Geschäfte, mit nachhaltigen Produkten, die einen Fairen Alltag ermöglichen, Restaurants, Café und Lebensmittelgeschäfte, die Teller für Teller, Tasse für Tasse für Fairen Genuss sorgen. Und wir haben echtes Handwerk, Fachgeschäfte, Firmen und Dienstleister:innen, die Reparieren und Wiederverwerten und so wertvolle Ressourcen sparen. Rund 60 Geschäfte #rundumdieberger arbeiten jeden Tag mit Passion daran, die Welt ein bisschen besser zu machen.

 

Wie geht es weiter?

Nach einer kleinen Sommerpause (ich fahre nach Schottland in die Natur!) startet der September mit weiteren Fairanstaltungen. Los geht es am 12. September im Camino, Momento de Cafe mit dem Thema Fairer Genuss, gesundes Essen, fair produzierte Lebensmittel und Ideen für einen weniger verschwenderischen Umgang mit diesen kostbaren Rohstoffen. Am 20. September begeben wir uns mit Dr. Bergerhoff, der der Fairtrade Stadt Frankfurt vorsteht, auf eine Entdeckungstour. Wir besuchen live und in Farbe Geschäfte, die Nachhaltigkeit leben.

Am 13. November wird es noch einmal richtig spannend. Wir schauen bei Sandra Elm vorbei, die mit re-cover, eine Upcycling- Pionierin ist. Aber auch ein Schuhmacher und eine Schneiderin werden da sein. Gemeinsam widmen wir uns dem Thema Verwerten und Reparieren.

Vielleicht sehen wir uns auf einer der nächsten Fairanstaltungen. Ich würde mich freuen.

 

Detail zu unserem Programm findet Ihr unter https://www.lustaufbesserleben.de/portfolio-items/faire-meile/

 

So jetzt zu meiner Einstiegsfrage zurück: „Was haben Bienen, Mohnblumen, die Berger Straße, kaputte Schuhe, die Tatortkommissare Ballauf und Schenk, das Rana Plaza Textilunglück, die Wochenendrebellen und Mango Monkeys miteinander zu tun?“  

Einfache Antwort: Alles hängt mit allem zusammen

 

Wer eine ausführlichere Antwort möchte – bitte schön:

In der Natur sein und verstehen, dass Tiere und Pflanzen ebenso ein Existenzrecht haben, wie wir Menschen, ist elementar für eine gelingende Transformation.

Im Garten sitzen und erkennen, dass es glücklich macht, den „Dingen um uns rum“ Aufmerksamkeit zu schenken, ebenso.

Stefan Diefenbach vom Weltladen hat mich ganz zu Anfang der Fairen Meile auf den Tatort „Manila“ aufmerksam gemacht, um mir das Prinzip „Global denken und lokal handeln“ zu verdeutlichen. Dabei bin ich auf die Kommissare Freddy Schenk und Max Ballauf, die Mango Monkeys, Sweet Hearts und die indigene Landbevölkerung auf den Philippinen und in Paraguay gestoßen. Wie die zusammenpassen, das könnt ihr ja mal googeln. Kleiner Tipp Tatort – Straßen der Welt e.V. eingeben.

Ebenso gerührt hat mich das reale Abenteuer von Mirco von Juterczenka und seinem autistischen Sohn Jason. Um Jasons Lieblings-Fußballclub zu finden, reiste das Duo ab 2012 zu Fußballspielen durch Deutschland und Europa und hielt alle Erlebnisse in einem eigenen Blog fest. Aus dem Blog entstand zunächst ein Buch – und daraus der Film Wochenendrebellen, den wir bei unserem Open Air Kino gezeigt haben. Unfassbar, was man finden kann, wenn man heimische Routinen hinter sich lässt. Alles was man nie gesucht, aber definitiv gebraucht hat. Sogar Liebe.

Das Faire Meile Projekt anzuschieben und sich den Herausforderungen anzunehmen, war nicht immer einfach, aber setzte gute Energien frei. Durch diese positive Ausrichtung, treffe ich immer wieder auf Menschen, die sich ebenfalls für den Wandel engagieren und an einem Netz der Verbundenheit weben. Ganz deutlich habe ich das bei der Kunstaktion „Nicht FAIRvergessen! – Stoffblüten – das Echo von Rana Plaza gedenken Sie mit uns der Opfer in der Textilfabrik“ gespürt. Die Zusammenarbeit mit der Künstlerin Michaela Heidlas-May war eine sehr sinnliche Erfahrung. Die Stoffblüten haben viele Passant:innen angesprochen und zu Gesprächen über persönliches Kaufverhalten motiviert.

Und was ist mit den kaputten Schuhen? Ach ja, die fehlen noch. Bei der Suche nach Fairen Schätzen #rundumdieberger bin ich auf Gewerbetreibende gestoßen, die ein Schattendasein führen. Kaputte Schuhe wieder heile zu machen, spart nicht nur Geld, sondern auch wertvolle Ressourcen. Hoch lebe der Schuhmacher und die Änderungsschneiderin, sie sind wahre Nachhaltigkeitsbotschafter:innen!

Und wenn mal wieder der Weltschmerz recht nahe ist, dann höre ich mir das schallende Gelächter von Desmond Tutu und dem Dalai Lama an. Ihr Lachen im Film „Mission: Joy“ beschert mir immer einen Schub gute Laune & Zuversicht. Dann weiß ich: So viele sind schon auf dem Weg, überall auf der Welt, um das bestehende System tiefgreifend zu verändern.

Überall „fegen Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Landebahn, damit eine gute Zukunft für alle landen kann“, davon bin ich zutiefst überzeugt.

In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Sommer und immer schön weiterfegen.

Eure Margit

Faire Meile Faire Meile Faire Meile Faire Meile

Ankathrin Förster
Author: Ankathrin Förster

Ankathrin ist seit September 2020 Teil unseres Teams. Mit einer großen Vorliebe für To-Do-Listen ist sie super strukturiert, engagiert und warmherzig zugleich. Am Liebsten hält sie Workshops, in denen sie gemeinsam mit Menschen Dinge erarbeitet und ihr Wissen weitergibt. Weil ihr Sinn für look and feel es nicht anders zulässt, bastelt sie genüsslich an der Optik ihrer Vorträge, bis es wirklich gut aussieht. – „Ach, hätte der Tag doch bloß 26 Stunden!“ Als Biologin und 2-fache Mutter liebt sie es, in der Natur zu sein und ist dennoch ein echtes Stadtkind. Seit einigen Jahren lebt sie mit ihrer Familie einen unperfekten „zero waste Lifestyle“ und stöbert leidenschaftlich gerne in Unverpacktläden. Was nie in ihrem Rucksack fehlt, sind mindestens 2 Beutel, um auch spontan mal unverpackt einkaufen zu können und eine Mülltüte, um spontan Müll von der Straße aufzuheben.

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Ankathrin Förster
Author: Ankathrin Förster

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