Die Sache mit der Verantwortung – Team Insight von Alex

VERÖFFENTLICHT

27. Juni 2023

ÜBER DEN AUTOR
Alexandra
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Vom Gesellschaftsvertrag zum Klimastadtvertrag – und die Frage: Wer trägt eigentlich wofür Verantwortung?

Dass der Klimawandel menschengemacht ist, sagt uns die Wissenschaft. Dass es allerhöchste Zeit für Veränderung ist, ist klar. Mittlerweile weiß es wirklich jedes Kind. Manche Kinder – wie meins – haben Alpträume und Zukunftsängste, weil die Folgen des Klimawandels greifbar, real und katastrophal sind. Jeder Mensch geht anders mit den Wahrheiten des Klimawandels um (beeindruckend finde ich in diesem Zusammenhang die Klimatiere aus der KLIMA_X-Ausstellung im Museum für Kommunikation *Empfehlung – geht in die Ausstellung*). Welcher Klimatyp Du bist: das aufgescheuchte Huhn, der wütende Gorilla oder doch die langsam dahinschlurfende Schildkröte? Unabhängig von den Emotionen beobachte ich allerdings wenig Veränderung im Alltag. Und da nehme ich mich nicht aus. In unserer Familie wird immer noch Fleisch gegessen, ich habe keinen 100%-Biogastarif für Wärme, wir fliegen in den Urlaub und die Einkäufe sind nicht komplett verpackungsfrei.

 

Institutionenethik, Individualisierungsfalle vs. Verantwortung jedes Einzelnen

Dann queren doch manchmal solche Gedanken meinen Tag: „Muss ich das meiner Familie zumuten?“, „Wir machen doch im Vergleich schon so viel…“ Und in Workshops höre ich in der Mehrheit: „Sollen doch mal Politik und Unternehmen vorangehen, wirksamen Klimaschutz zu machen – was macht mein Alltag schon für einen Unterschied?!“. Und da ist ja durchaus etwas dran. Wissenschaftlich bin ich mit dem Ansatz der Institutionenethik groß geworden. Ich habe gelernt, dass ethische Probleme moderner Gesellschaften meist nicht gewollte Handlungsergebnisse sind, sondern indirekte und unbeabsichtigte Nebenwirkungen des Handelns im komplexen Zusammenwirken vieler Akteure – wie beim Klimawandel oder beim Biodiversitätsverlust. Und dass sie nicht hinreichend durch einen individual- oder tugendethischen Ansatz gelöst werden können, sondern vielmehr eines sozial- oder ordnungsethischen Lösungsmechanismus bedürfen.

 

Fußabdruck-Rechner als Verschleierungstaktik der Ölindustrie

Wenn man dann noch erfährt, dass der Ölkonzern BP, früher British Petroleum, das Konzept des CO2-Fußabdrucks weltweit bekannt machte, um mit dieser Werbekampagne geschickt die Aufmerksamkeit vom massiven CO2-Fußabdruck der Ölkonzerne auf Individuen umzulenken… dann kann man sich doch eigentlich erleichtert zurücklehnen und weiterhin nichts tun. Sicherlich sträuben sich mir die Haare, wenn ich denke, dass Politik und Wirtschaft die schwierigen und kostenintensiven Entscheidungen auf die Kundschaft und die Bürgerinnen und Bürger abwälzen. Natürlich brauchen wir dringend gesetzliche Anreize und vielleicht auch Verbote, und natürlich müssen Unternehmen endlich den Knall hören und ihre Geschäftsmodelle transformieren.

 

Verantwortung von links nach rechts statt Gemeinschaftsverantwortung anzuerkennen

Mit Mehrwegbechern alleine können wir sicherlich nicht die Welt retten. Aber zu einfach dürfen wir es uns auch nicht machen, in dem wir nur mit dem Finger auf die anderen zeigen. Rousseau sprach damals beim sozialphilosophischen Konzept des Gesellschaftsvertrags davon, dass es sich um einen „Gemeinwillen“ handelt, der nicht der Summe der Einzelinteressen entspricht, und dem sich alle freiwillig unterordnen. Nun klingt das wirklich sehr philosophisch – und ich möchte euch nicht mit Hobbes, Hume, Hegel und Rawls langweilen (wie schön waren die Zeiten im Studium, als ich für die Lektüre solcher Texte richtig Zeit hatte). Aber die Idee hat so viel Kraft. Wir müssen endlich verstehen, dass es im Einzelinteresse von uns allen ist, dass wir uns dem Gemeinwillen des Klimaschutzes unterordnen. Denn nur die Politik oder nur die Wirtschaft kann die Klimakrise nicht lösen. Im letzten Jahr haben wir gesehen, wie viel Wirkung entstehen kann, wenn alle Einzelnen versuchen, im eigenen Alltag nur ein klein wenig Gas zu sparen. Es bittet uns keiner, komplett auf Lebensqualität zu verzichten. Bürger und Bürgerinnen sollen das Klima nicht im Alleingang schützen. Aber ist es wirklich zu viel verlangt, mit offenen Augen und Bewusstsein durchs Leben zu gehen? Im Schnitt trifft ein erwachsener Mensch täglich ca. 35.000 Entscheidungen. Und in der Summe macht es einen drastischen Unterschied, wie wir uns in unserem Alltag ernähren, bewegen, einkaufen, wohnen. Es klingt so platt, aber wenn man sich persönlich kleine Challenges setzt, dann können Änderungen im Alltag sogar Spaß machen. Wirklich. Wichtig ist, dass wir den Schalter im Kopf umlegen und Veränderung wirklich wollen. Ist es einfach? Nein. Aber es ist wichtig, dass wir uns unserer Selbstwirksamkeit bewusst werden und aufwachen.

 

Klimastadtvertrag als gemeinsames Commitment von allen

Diese Idee hat die EU-Mission „100 klimaneutrale und smarte Städte“ aufgegriffen und lässt die beteiligten Kommunen Klimastadtverträge ausarbeiten. Zu welchen Infrastrukturprojekten verpflichtet sich die Politik und Verwaltung? Welche Klimaschutzvorhaben planen Unternehmen kurz- und mittelfristig? Welche Investitionen sind beschlossen? Und was können und möchten Bürger und Bürgerinnen im Kleinen zum Vertrag beitragen? Ich freue mich total, dass wir die Stadt Leipzig beim Beteiligungsprozess für einen solchen Klimastadtvertrag unterstützen dürfen. Und dass dieser Prozess auch bei mir mal wieder die stumpfe Säge geschärft hat.

 

Eure Alex

 

Alexandra
Author: Alexandra

Alexandra ist unser analytisches Ass und erfasst schnell das große Ganze mit allen komplexen Schnittstellen. Dabei versorgt uns die herzliche Frohnatur immer mit frischen und pragmatischen Ideen. Ihren beruflichen Alltag managt die Mutter von zwei Kindern und dem süßesten Hund der Welt mit einem ausgeklügelten Aufgabenmanagement und viel Humor.

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