Interview über die Wege einer dm-drogerie markt Zahnbürste

VERÖFFENTLICHT

23. Februar 2019

ÜBER DEN AUTOR
Marlene Haas
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Im Interview mit Kerstin Erbe, als dm-Geschäftsführerin verantwortlich für das Ressort Produktmanagement, und Alexander Diefenbacher, Produktmanager für alverde NATURKOSMETIK, über die Wege der Zahnbürste…

Wir sprechen mit Kerstin Erbe, dm-Geschäftsführerin, und Alexander Diefenbacher, Produktmanager bei dm-drogerie markt. dm ist mittlerweile in 13 europäischen Ländern mit mehr als 3.500 Märkten vertreten – verkauft also viele Zahnbürsten. Wo es geht, seien kurze Wege für die dm-Geschäftsführerin und ihren Kollegen von alverde NATURKOSMETIK ein wichtiges Merkmal in der Produktentwicklung.

Beide lassen von Beginn an keinen Zweifel, dass ihnen die “Wege“ hinter ihren Produkten ein großes Anliegen sind. Sie halten nichts von bloßem „green washing“ als Kompensation für lange Wege. Vielmehr versuchen sie mit ihrem Team, am Ursprung zu arbeiten und Ansätze zu entwickeln, die die gesamte Wertschöpfungskette sinnvoll und nachhaltig gestalten.

80 % Produktion im EU Umland, Rohsstoffe aus Übersee

Passatnt*innen fragen sich, wo ihre Zahnbürste herkommt

So werden beispielsweise die Handzahnbürsten der dm-Marke „Dontodent“ in Deutschland hergestellt, wenn auch die Rohstoffe von Übersee kommen und eine Aussage über die Herkunft der Granulate – so sagt Erbe offen – schwierig ist. Die elektrischen Zahnbürsten würden nicht in Deutschland produziert, so Erbe, die sich für Transparenz stark macht.

Gemeinsam mit den Herstellern schafft es dm, die eigenen Produkte zu 80 % in Deutschland oder im näheren EU-Umland produzieren zu lassen. „Doch manche Inhaltsstoffe kommen eben einfach nicht von hier“ sagt Kerstin Erbe. Ihr Ansatz sei es, das Sortiment so zu gestalten, das es den Bedürfnissen und Wünschen aller dm-Kunden entspricht – deshalb finden Kunden neben der herkömmlichen Plastikzahnbürste auch Alternativen. Die Produkte sollen dabei möglichst kurze Produktions- und Rohstoffwege aufweisen.

So kommt es, dass wir – anstatt wie ursprünglich geplant über eine Bambus Zahnbürste – über eine neu entwickelte alverde-Zahnbürste aus Schweizer Buchenholz sprechen.

Buchenholz aus der Schweiz für die Mundhygiene

Die Gedanken aus der Produktentwicklung zu erfahren, ist wirklich spannend. So erläutert Alexander Diefenbacher ehrlich, dass bei der Entwicklung der Bambuszahnbürste folgende Herausforderung auftauchte:

Ein Bambuswald

Bambus sei ein schnell wachsender Rohstoff und speichere dadurch mehr CO2 als Holz. Er wächst bis zu einen Meter am Tag – unter optimalen Bedingungen. Jedoch kommt Bambus zur Weiterverarbeitung meist aus China, wodurch über den Transport im Vergleich zur Weiterverarbeitung von heimischen Hölzern mehr CO2 ausgestoßen wird. Natürlich können Produzenten die entstehenden Emissionen ausgleichen.

 

Doch warum eigentlich, wenn Bäume aus nachhaltiger Forstwirtschaft auch in Deutschland bzw. Europa wachsen?

Das dachte sich der alverde-Produktmanager ebenso und entwickelte gemeinsam mit erfahren Herstellern, eine alternative Zahnbürste, die nun bei dm zu finden ist.

Ein Buchenholzwald

Der Stiel ist aus Schweizer Buchenholz, das FSC-zertifiziert ist. Ein Siegel, das mittlerweile häufig in Kritik steht, weil in Ländern mit noch intakten Urwäldern Rodungen unter dem Deckmantel des FSC-Siegels passierten. Also frage ich nach:

„In unserem Fall sind die Wege tatsächlich ein guter Indikator für Nachhaltigkeit, denn das Schweizer Holz hat natürlich kürzere Wege als Bambus. Die Forstwirtschaft im Nachbarland hat auch unabhängig vom Siegel hohe Standards, die mit unseren oder denen in Österreich vergleichbar sind.“, erklärt mir Diefenbacher.

Rizinusöl statt Plastik

Deshalb, meint Alexander Diefenbacher, sei es so wichtig, die Produktdetails zu kommunizieren.

Die Bürsten der Zahnbürste seien aus Rizinusöl, so Diefenbacher weiter. Das Öl kommt vorwiegend aus Indien und China. Im Falle der Zahnbürste wird das Öl zu einem Biokunststoff verarbeitet – ein alternativer Rohstoff im Vergleich zu herkömmlichem Nylon oder Erdöl-Plastik, der teilweise im großen Stil als Biotreibstoff angebaut wird, häufig aber von Kleinbauern stammt.

Spannend ist auch die Vorreiter- und Verantwortungsposition, die im Gespräch mit dm-Geschäftsführerin Kerstin Erbe deutlich wird: „Nicht jeder Kunde möchte eine Holzzahnbürste kaufen. Deshalb entwickeln wir bei unseren Pioniermarken, wie zum Beispiel alverde NATURKOSMETIK, Innovationen, die wir dann auch auf andere Marken adaptieren können.“

Das klingt so, als könne auch bald die herkömmliche Plastikzahnbürste nachhaltiger werden, denke ich und hake nach.

Es gibt zu wenig Rezyklate in Lebensmittelqualität

Hier sei die Herausforderung bis heute, dass aus unserem Dualen System (Anm. Verpflichtung der Wirtschaft, in Umlauf gebrachte Verpackungen  zurückzunehmen und einer Verwertung zuzuführen) nicht genug Rezyklat-Mengen in Lebensmittelqualität hergestellt würden. Sprich: eine Zahnbürste, die man in den Mund nimmt, muss aus höherwertigeren Rezyklaten hergestellt sein als der Handfeger. (Anm. Rezyklate entstehen in einem Kreislaufprinzip, bei dem Verpackungen ohne Rohöl hergestellt werden, in dem der „Kunststoff“ aus dem Gelben Sack hochwertig aufbereitet und nicht „downgecycelt“ wird, also nur noch für minderwertigere Produkte in Frage kommt.)

Deshalb hat dm-drogerie markt gemeinsam mit Partnern wie dem Startup für vegane Kondome Einhorn, ecover und P&G (u.v.m.) das Rezyklat-Forum gegründet.

„Die Frage ist doch, was müssen alle am Markt Beteiligten tun, damit der Wertstoff an allen Punkten im Wertstoffkreis wertvoll bleibt?“ wirft Kerstin Erbe ein. dm würde gerne auch für die konventionelle Zahnbürste schon Rezyklate einsetzen, doch dafür müsse man vereint am System arbeiten und gegenüber Kunden kennzeichnen, wie die entsprechenden Produkte entsorgt werden müssen, sodass der Prozess des Reinigens ökonomisch und ökologisch Sinn mache.

Spannend auch, dass die bewusst kurz gewählten Produktions- und Rohstoffwege bei dm-drogerie markt nicht zu Lasten anderer Produktmerkmale gehen, wie bspw. dem Preis.

Zur Entstehung des Rezyklat-Forums: Das im September 2018 gestartete Forum möchte die Wiederverwendung von Wertstoffen für Verpackungen deutlich erhöhen, Kunden nachhaltigere Verpackungsalternativen anbieten und die immensen Mengen an reinem Verpackungsmüll reduzieren. Darüber hinaus arbeiten die Teilnehmer daran, das Bewusstsein der Menschen für ein nachhaltiges Kreislaufsystem zu fördern. Mehr: //newsroom.dm.de/pressreleases/dm-und-industriepartner-starten-gemeinsam-rezyklat-forum-2706413

Bildnachweis: dm-drogerie markt, pixabay & Anais Quiroga

Marlene Haas
Author: Marlene Haas

Marlene führt gemeinsam mit Alexandra die Geschäfte der Lust auf besser leben gGmbH, die sie 2014 gegründet hat. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind nachhaltige Quartiers- und Regionalentwicklung sowie die Konzeption und Umsetzung von innovativen Projekten, Kampagnen und Events. Unsere lebenslustige Powerfrau Marlene liebt das Netzwerken ebenso wie die kreative Entwicklung neuer Konzepte. Ob analog oder im Social Web: Hauptsache sie erreichen und begeistern Verbraucher:innen und andere Zielgruppen für Nachhaltigkeit. Die Arbeit mit Kleinunternehmen und deren Förderung im Bereich nachhaltiges Wirtschaften sind seit 2014 ihre besonderen Anliegen – damals wurde sie zur jüngsten (ehrenamtlichen) Vizepräsidentin Deutschlands in der IHK Frankfurt am Main gewählt und baute das dortige Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit auf. Mit Lust auf besser leben als „good Lobby“ zu agieren oder über knackige Texte die Öffentlichkeit für Nachhaltigkeitsziele zu begeistern ist mittlerweile das Steckenpferd der frisch gebackenen Mutter. Als gelernte Veranstaltungskauffrau scheut sie sich nicht anzupacken. Die Denke „Das haben wir schon immer so gemacht!“ ist ihr völlig fremd, sie handelt gerne unkonventionell – und liebt gleichwohl die beinahe diktatorische Nutzung von Ablagesystemen und Aufgaben-Tools. Des Weiteren ist sie ehrenamtliche Aufsichtsrätin der OEKOGENO SWH eG, Steuerungsgruppenmitglied bei Fairtrade-Stadt Frankfurt und Rhein.Main.Fair. sowie im Beirat des kommunalen BNE-Vereins Umweltlernen Frankfurt e.V. und im Expert*Board des Zero...

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