Lust auf besser leben in Südafrika

VERÖFFENTLICHT

7. September 2021

ÜBER DEN AUTOR
Svenja Flach
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Unsere Botschafterin Sabine Schmitt von „apfelgruen. Zum Anziehen“, dem früheren Modelabel und Geschäft in der Glauburgstraße, lebt seit einiger Zeit in Südafrika. Unser Kontakt ist niemals abgerissen. Und so hat Sabine nun einige Gedanken über ihr Leben in Pretoria festgehalten mit dem besonderen Hinblick auf nachhaltige Alltagsentwicklungen dort. Ganz herzlichen Dank, Sabine, für diese Einblicke aus erster Hand.


Pretoria 23.08.21

Wenige Gedanken zu meinem derzeitigen Leben auf der südlichen Erdhalbkugel.

Erst vor wenigen Wochen haben Martin und ich eine kleine Permakulturfarm, mitten in der Karoo, einer riesigen Semiwüste, wo es weit und breit nur Flora und Fauna gibt, besuchen können. Seit 17 Jahren erwirtschaften das Farmerpaar Kath und Ross ganz alleine Ihren Lebensunterhalt mit Gemüsekisten für Ihre Kund*innen aus der 20 km entfernt gelegenen Kleinstadt sowie der Vermietung ihrer kleinen Lehmhütte für Touristen. Touristen aus Übersee, die dem Land immer noch fehlen. Faszinierend blicken wir auf beide zurück, die Lust auf besser leben nach Ihrer Lebensphilosophie Cradle to cradle gefunden haben.

Luftaufnahmen von Johannesburg, Pretoria oder Kapstadt zeigen wie grün Städte sind. Es macht eine Riesenfreude, einen Berg zu besteigen, um über die Dächer zu schauen. Oft reicht der Blick zu den Townships wo der größte Teil der Bevölkerung zuhause ist, nicht. Sie liegen weit draußen vor den Städten, sind sehr eng bebaut und meistens ohne einen jeglichen schattenspendenden Baum. Es gibt keinen Platz dafür. Südafrika ist das ungleichste Land der Welt. Und an den Rändern der Location liegt der Müll, vielleicht gibt es keinen Platz für eine Mülltonne, ich weiß es noch nicht …

Apropos Müll, hier in Pretoria, wo wir leben, gibt es keine städtische Mülltrennung. Zum Glück fanden wir bald wenige Container für Altpapier und Altglas, Elektroschrottsammelstellen gibt es auch. Jedoch wohin mit dem Plastik? Mich begeistern immer noch die sogenannten Recycling Reclaimer oder Wastepicker. Sie sammeln und verkaufen recycelbares Plastik, um so ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Woche für Woche kommen sie mit Ihren riesigen Faltsäcken auf selbsterbauten Ziehkarren und stöbern in den Tonnen nach brauchbaren Plastikflaschen, Kartons, Aludosen, welches sie zur Recyclingsammelstellen nach vielen Kilometern bringen. Der allergrößte Teil, ca. 80 – 90%  ihrer Beute wird recycelt. Das sind für die Recyclingwirtschaft die wichtigsten Zubringer.

Zum Glück werden sie immer mehr von der Bevölkerung respektiert, die vorab bereits die recycelbaren Produkte trennt. Oft wird Obst und/oder ein Getränk dazu gelegt. Ich freue mich sehr über den Respekt, denen man ihnen auch auf der Straße zollt wie es auf dem Bild in einem Johannesburger Vorort zu sehen ist.

Der Biojoghurt im recycelten Behälter ist leider teuer und für die meisten Menschen nicht erschwinglich und somit nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich und verständlich.

CafeToGo ist ein Musthave und weit verbreitet, durch Covid schenken viele CoffeeShops immer noch Ihren leckeren Cappuccino in Pappbecher ein. Natürlich bieten KaffeeKetten z.B. Bambusbecher an, jedoch habe ich noch keinen Kaffeeliebhaber damit gesehen.

Plastik kommt nicht zu kurz, es wird überall verwendet, das Obst ist damit eingewickelt, meine Kleider, die ich hier nähen lasse, das Croissant wird beim Kauf in ein Plastikgefäß eingepackt, weil z.B. Transportwege sehr lang sind, weil das Klima eine besondere Verpackung erfordert und vieles mehr. Jedoch sind die Plastiktüten an der Kasse schon lange nicht mehr kostenlos.

Vor wenigen Wochen lief die Werbung einer NGO im Radio mit dem Aufruf, gebrauchtes Öl an einer Sammelstelle abzugeben, um das kostbare Trinkwasser zu schonen. Man erinnert sich dabei schnell an die schwere Wasserkrise in Kapstadt im Jahr 2015. Positiv daran ist, dass eine Verhaltensänderung mobilisiert und der Wasserverbrauch gesenkt wurde.

Das Thema Energie darf nicht fehlen. Die Energiestaatsfirma ESKOM ruft oft LoadShedding aus, da die Kohle Kapazitäten nicht ausreichen und die Nachfrage nach Strom vor allem im Winter zu groß ist. Dann ist wiederum die Kohle aufgrund der Regenzeit zu nass oder das Transportband im Kraftwerk wird einige Tage repariert  und wir sind stundenlang ohne Strom. Stattdessen laufen Generatoren, natürlich nur bei den Bewohnern, die einen haben, an die ökologischen Nachteile möchte ich gar nicht denken. Zu groß ist die Kohlelobby, zu stark sind die Gewerkschaften, um einen langsamen Kohlausstieg zu initiieren. Erfreulicherweise hat im Juni diesen Jahres Präsident Ramaphosa das Regelwerk einer Stromeinspeisung bis zu 100MW mit erneuerbaren Energien gelockert.

Zu guter Letzt erfreue ich mich, auch in eigener Angelegenheit als Modeexpertin, an der tollen Initiative Mohair SA, die die Wertschöpfungskette von der Ziege bis zur Marke weiter festigen wird. Südafrika ist einer der größten Mohairproduzenten, 50% der weltweiten Wolle wird hier geschoren und es soll noch mehr werden. #madeinsouthafrica oder #buylocal spielen eine immer wichtigere Rolle.

Insgesamt gibt es viele kleine Initiativen, vor allem in den urbanen Gebieten, die zu Labl in Südafrika führen können. Der Weg ist steinig und lang und wird durch die Pandemie und die innere politische Zerrissenheit immer wieder behindert. Doch bin ich zuversichtlich, denn wenige Früchte sind bereits gereift.

Svenja Flach
Author: Svenja Flach

Hi, ich bin Svenja. Ich mache zurzeit mein FÖJ bei Lust auf besser leben und kümmere mich um die Veröffentlichung unserer Events und unseres Blogs sowie den Newsletter. Des Weiteren bin ich für unseren Instagram- und Facebook-Account zuständig und unterstütze das Team bei einigen Projekten.

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Hi, ich bin Svenja. Ich mache zurzeit mein FÖJ bei Lust auf besser leben und kümmere mich um die Veröffentlichung unserer Events und unseres Blogs sowie den Newsletter. Des Weiteren bin ich für unseren Instagram- und Facebook-Account zuständig und unterstütze das Team bei einigen Projekten.