Interview mit Ina Budde über circular fashion

VERÖFFENTLICHT

9. März 2019

ÜBER DEN AUTOR
Marlene Haas
TEILEN

Interview mit Ina Budde, Gründerin von circular.fashion, über den Fakt, dass aktuell weniger als 1 % unserer Kleidungsstücke wieder zu Textilfasern recycelt werden und über mögliche Lösungen für einen Wandel der gesamten Modeindustrie

Um die Wege zu verstehen, die hinter einem T-Shirt stecken, stoße ich bei meinen Recherchen auf das Thema Kreislaufwirtschaft. Doch so ganz kann ich mir noch nicht vorstellen, wie das in der Modeindustrie funktionieren soll. Deshalb freue ich mich, als mir Ina Budde, Gründerin des Start-ups circular.fashion aus Berlin – u.a. Gewinnerin des Next Economy Award 2015 – sofort einen Gesprächstermin zusagt.

Auf meine Frage, was circular.fashion eigentlich macht, antwortet Ina kurz und knackig: „Wir helfen Marken dabei, nachhaltiger zu werden.“ Das klingt vielversprechend. Sie ergänzt, dass es dabei um die Recyclingfähigkeit von Kleidung geht. Denn 73 % der Modeprodukte landen im Abfall, nachdem sie „ausgetragen“ wurden. Anders als bei Plastik beispielsweise, ist hier das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Kreislaufwirtschaft bei Verbrauchern noch nicht so präsent.

In der Modebranche findet bisher kaum Kreislaufwirtschaft statt

„12 % der getragenen Materialien werden downgecycelt, beispielsweise zu Füllmaterial. Denn, und hier setzten wir an, die meisten unserer Kleidungsstücke sind nicht für Kreisläufe designt.“ Das muss mir Ina etwas näher erklären, da ich nicht verstehe, wo hier möglich Hebel liegen. Sie erzählt weiter, dass es dabei um Sortenreinheit geht, also an einem Pulli im besten Falle eben nicht Baumwollen mit Polyester gemischt wird, da diese Vermischung später nicht mehr gut in neue Kreisläufe geführt werden könne.

circular.fashion hat eine Lösung für diese Herausforderung entwickelt, die auf mehreren Ebenen ansetzt:

circularity.ID für den Lebenszyklus – Kleidungsstücke vom Kauf bis hin zum Recycling verfolgen

Zum einen hat das junge Team ein scanbares Label – die circularity.ID – initiiert, über das Kunden und Kundinnen die Wege ihrer Kleidungsstücke vom Rohstoff über den gesamten Lebenszyklus bis hin zum Recycling verfolgen können. Dieses Label baut auf den höchsten Nachhaltigkeits-Siegeln auf geht über diese hinaus, meint Ina Budde. Die geschaffene Transparenz sorge dafür, dass der Druck auf die gesamte Lieferkette steige, sich um faire Produktionsbedingungen zu kümmern. Zusätzlich wird jedes Kleidungsstück von einer Software auf seine Recyclingfähigkeit geprüft. Ich frage mich, wo ich diese Informationen abrufen kann. Diese Frage hat das Team von circular.fashion natürlich mitgedacht: „Mit einem Smartphone ist das Label scanbar und zeigt Kundinnen und Kunden wo sie das Produkt weiterverkaufen, Updaten oder für das Recycling zurück geben können.“

Das Design muss kreislauffähig sein

„Doch wir müssen auch auf Herstellerseite mit neuen Lösungen arbeiten.“ Sie erklärt mir, dass sie an einer Circular Design Software arbeiten. Dort finden einerseits die Marken, also oft kleine Modelabels, Tipps zur Kreislauffähigkeit der Materiale, die sie beziehen. Zudem bietet die Software Tipps, wie Mode designt sein sollte, um voll recyclingfähig zu sein. Die Software dient vor allem aber auch den Herstellern als eine Datenbank, in die die ihre Stoffe hochladen und sich registrieren, mit konkreten Informationen zur Kreislauffähigkeit. (hier zu einer Übersichtspdf)

Ich frage Ina, wie praktikabel das in der schnelllebigen Modebranche wohl ist. „Bestehende Angebote sind unterschiedlich weit entwickelt“ sagt die Gründerin von circular.fashion.

Aktuell sei die Design Software noch in der Weiterentwicklung als Pilot, doch einzelne Marken wie Jan’n June  taggen bereits ihre Stücke, ein „circular product check“ ist hier bereits möglich.

Als Kundin erfahre ich also, ob die Materialkombination wirklich recyclingfähig ist, welche Produkte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und welche Recycler die Stücke zurücknehmen.

Materialdatenbank für Hersteller

Doch damit noch nicht genug. Im Gespräch merke ich, dass Ina Budde nicht nur eine Frau der Visionen, sondern auch der Tatkraft ist. Sie schaffen einen neuen Markt durch die Materialdatenbank mit ihrer Software. Eine wirkliche Produzentenplattform, die nicht nur Kreislaufwirtschaft fördert, sondern auch positives Denken, die „Herausforderung annimmt und als Treiber für Innovation und Kreativität nutzt“, sagt Ina stolz.

Ich liebe solche Innovationen und glaube an deren Kraft. Doch muss ich dabei immer daran denken, wer diese neuen Wege mitgehen kann. Deshalb erkundige ich mich nach dem stationären Handel. Wie ist dieser bei all den innovativen Entwicklungen involviert?

Kreislaufwirtschaft als neuer Retail-Service?

„Kreislaufwirtschaft im Retailbereich (Anm.: Einzelhandel) ist für uns langfristig gesehen ein wichtiges Thema. Es geht dabei um Repair-Services, Re-cut, also alten Klamotten neuen Schnitte verpassen und neue Färbungen, um die Stücke weiter zu nutzen, bevor sie in den Recyclingkreislauf kommen. Zudem kommt dem Handel eine große Rolle in der Kundenkommunikation zu. Sie schaffen Vertrauen in neue Services und können uns perspektivisch helfen eine Community aufzubauen, in der man auch Kleider wieder zurückgeben kann. Zudem sind sie ein großer Hebel gegenüber Produzenten. Wenn sie nach Transparenz in ihrer Lieferkette fragen, kann das den gesamten Lebenszyklus der Ware positiv beeinflussen“, meint Ina.

Mir kommen sofort die Altkleidercontainer als mögliche Rückgabepunkte in den Sinn, von denen ich bisher nicht nur Gutes gelesen habe. Manche verkaufen ihre Inhalte in Länder, in denen sie damit die dortige Modeindustrie zerstören, entgegne ich Ina.

„Die Altkleidersortierer müssen sehen können, was recycelbar ist und was nicht. Deshalb arbeiten wir von circular.fashion auch an einem Netzwerk von bestehenden Recyclern und ermitteln gemeinsam, welche Anforderung diese benötigen, um in Kreisläufen zu agieren. Daraus entsteht dann die Materialdatenbank für Labels mit fast allen Fasertypen, Färbestoffen und Finishings (Anm.: z.B. Oberflächen Veredelungen oder Coatings), von der ich Dir bereits erzählte“, erklärt Ina.

Das Produktionsentwicklungstool, also die Software, ist demnach ein Service für Unternehmen entlang des gesamten Wertschöpfungskette, fasse ich noch einmal zusammen. Wenn Produkte damit erstellt werden, können also sowohl regionale als auch internationale Mode-Kreisläufe geschlossen werden. Spannend und inspirierend!

Marlene Haas
Author: Marlene Haas

Verwandte Beiträge

Marlene Haas
Author: Marlene Haas