Bioökonomie: die Augen für die Rohstoffbasis öffnen – Team Insights 2021-13

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24. Juni 2021

ÜBER DEN AUTOR
Gesina Schalenberg
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Neulich bei der Lust auf besser Leben gGmbH … 

Ein Sport-Shirt aus Kaffeesatz? Sachen gibt’s …

„Ich mache gerade ein Praktikum im Bereich Bioökonomie“ – „Oh cool – und äh, was genau ist das?“. So begannen für mich viele Gespräche in den letzten Wochen. Erste Assoziationen bewegen sich zwischen Biologie und Wirtschaft und bleiben dann an der Frage hängen, wie beides so ganz theoretisch und konzeptionell zusammenhängen soll. Vielleicht klingt dem ein oder anderen das „Bio“ und „öko“ auch schon ganz nachhaltig in den Ohren. Ich verstehe es inzwischen so:

Die Bioökonomie …

… ist ein neues Modell für die Industrie und die Wirtschaft.

Derzeit basiert beides auf dem Verbrauch fossiler und endlicher Rohstoffe und führt zu den bekannten Problemen des Klimawandels, der Umweltverschmutzung und der Ressourcenverknappung. Außerdem ist die Wirtschaft überwiegend linear ausgerichtet, denn Rohstoffe werden gewonnen, in der Produktion verarbeitet, genutzt und schließlich entsorgt.

In einer Bioökonomie sollen stattdessen nachwachsende, biobasierte Rohstoffe zur Produktion von Nahrungsmitteln, Energie und Industrieprodukten innovativ genutzt werden. Außerdem sollen sie in geschlossenen Kreisläufen wieder- und weiterverwendet werden. Auch über Jahrtausende perfektionierte Prozesse und Prinzipien aus der Natur – wie der Stoffwechsel von Mikroben oder Algen –  können abgeschaut und genutzt werden.


Das Schillernde trifft das Unscheinbare

Um den Dialog zwischen der Bioökonomie-Forschung und der Gesellschaft zu fördern, wurde die Bioökonomie das Thema des Wissenschaftsjahres 2020/2021. Derzeit tourt das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft des BMBF wieder durch Deutschland, im September legt es auch in Mainz an.

Während ich mir Fahrradhelme aus Pilz (Achtung: wächst bei Nässe), Ladestationen an Modulen zur Abwasserreinigung durch Bakterien oder lärmschluckende Popcornbausteine und Indoor-Zuchtschränke für Pflanzen anschaue, fühle ich zweierlei:

Wie schillernd und faszinierend ist der menschliche Erfindungsgeist, dass man heutzutage aus Kaffeesatz T-Shirts herstellen kann! Wie innovativ klingen High-Tech-Kombinationen zum Recycling des Treibhausgases CO2 zu Kohlenstoff oder zur Rückgewinnung von Metallen aus Elektroschrott mithilfe von Mikroorganismen (Biomining).

Und wie unscheinbar und wertvoll ist die Erkenntnis, dass unser Abfall und Abwasser eben nicht wertlos sind, sondern daraus im Sinne der Rohstoffeffizienz viel wiederverwendet werden kann. Das gehört wohl auch dazu, denke ich: dort hinschauen, wo man eher keinen Mehrwert mehr erwartet, in den Kläranlagen und Biotonnen.

Und wie immer ist es das „Wie?“

Solch eine Verwendung von Reststoffen hat den Vorteil, dass sie Zielkonflikte vermeiden kann, denn wie immer ist die Lösung nicht ganz einfach: die Produktion von biologischen Ressourcen als Basis für Energie und Industrieprodukte darf nicht zulasten der Produktion von Nahrungsmitteln für eine wachsende Weltbevölkerung gehen (Bsp. Teller-Tank-Konflikt). Auch die Biodiversität muss geschützt werden, wenn die Bioökonomie nachhaltig sein soll.

Ein Beispiel für alle Frankfurter ist der MainBecher mit Mehrweg-Pfandsystem, das wir 2018 mit aufgebaut haben. Er besteht vorwiegend aus dem Nebenprodukt Lignin aus der Papierherstellung und ist daher auch biologisch abbaubar.


Nun sitze ich also zuhause, während ich diesen Text schreibe und meine Neugier an der Rohstoffbasis ist geweckt.

Mein Blick fällt auf Möbel, Bücher und Kleidung aus Holz und Naturfasern, die vielleicht kein innovatives High-Tech-Bioökonomie-Produkt darstellen, aber auf nachwachsenden und biologischen Rohstoffen basieren und mir das Gefühl geben, das Modell sei gar nicht so fremd. Ich sehe aber auch die Kunststoffhüllen um meine elektronischen Geräte und Kabel, Lacke und Farben, Griffe und Behälter, so viele Dinge, über deren Zusammensetzung ich ziemlich wenig weiß.

Und natürliche Prozesse und Kreisläufe? Finde ich in meinem Haushalt erstmal wenig… Da fallen mir die vielen DIY-Tipps zu Pflanzendünger mit Kaffeesatz, natürlichen Reinigungsmitteln und Kosmetik oder einem Wurmkisten-Kompost für den Stadtbalkon ein. In unserem geplanten DIY-Projekt und im Nachhaltig Guide unserer Kollegin Ankathrin findet Ihr dazu immer wieder Workshops und Seminare.

Was kommt euch in den Sinn, beim Sinnieren über die Bioökonomie? Oder habt ihr erstmal viele Fragen an die Forschung?

Im Anschluss an die Bioökonomie geht es nämlich im „Wissenschaftsjahr 2022 Nachgefragt!“ Um Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu wissenschaftlichen Themen. Wir arbeiten an ein paar Projektideen und sind gespannt auf den Austausch mit euch!

Eure Gesina

 

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